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Berlin: Schreib’ mal wieder

Auf einmal nahm die Post den Briefkasten mit. Ein Jahr später hängt ein neuer – dank Herrn Knopf

Sanft streicht Hans Joachim Knopf über den Briefkasten im Britzer Koppelweg. Es ist ein Exemplar mit nur einem Schlitz. Ein gewöhnlicher Dorfbriefkasten. Er passt wunderbar in die verschlafene Gegend, in der es viele Bäume, aber nur wenige Autos gibt. Hier wohnt Knopf in einem alten Haus mit Garten. Knopf hat den Briefkasten erkämpft, mit guter Laune und Hartnäckigkeit. Es ist die Geschichte eines Mannes im Kampf gegen deutsche Behörden.

Eigentlich wollte Knopf nur den Briefkasten im Dardanellenweg zurückhaben – der Dardanellenweg ist die Verlängerungsstraße des Koppelweges. Anfang 2003 ist die gelbe Blechschachtel verschwunden, einfach abgebaut. Sparmaßnahmen. Nun gibt’s noch zwei Briefkästen in der Gegend; einer davon an der Eisenacher Straße. „Da muss man mit zwei Buslinien hinfahren“, erzählt der 61Jährige, „oder mit dem Auto.“ Direkt vor dem Briefkasten aber war absolutes Halteverbot. Der zweite Briefkasten stand in einer Kleingartenkolonie. Der Weg dorthin ist unbefahrbar, abends nicht beleuchtet, im Winter nicht gestreut. Unzumutbar besonders für die alten Leute. Davon gibt es im Koppelweg viele.

Der Rentner entwickelt Sportsgeist. Er kennt Verwaltungen nur zu gut, denn früher arbeitete er beim Bauaufsichtsamt. Knopf schreibt einen Brief an die Berliner Post und wirft ihn an der Eisenacher Straße ein. Es soll nicht sein letzter Weg zu dem weit entfernten Briefkasten sein. Die Post weist ihn ab. Es gebe schon einen Briefkasten in der Nähe, den in der Gartenkolonie. Das müsse reichen. „Das reicht aber ganz und gar nicht“, sagt Knopf. Er schreibt den nächsten Brief, diesmal an den Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses. An den schicken Bürger Beschwerden, die mit dem Leben in der Stadt zu tun haben. Nach einigen Wochen die Antwort: Man sei nicht zuständig. Aber der Petitionsausschuss des Bundestages.

„Ich bin keiner, der auf halbem Wege stehen bleibt“, erklärt der Rentner und schmunzelt. Jetzt will er es wissen. Er schreibt dem Bundestag. Doch auch der antwortet: Nicht zuständig. Aber die Regulierungsbehörde der Post in Bonn. „Wir werden Ihren Brief weiterleiten“, heißt es in der Antwort. Tatsächlich? Als nach einem Vierteljahr noch immer keine Meldung aus Bonn eintrifft, fragt er nach. Bei der Regulierungsbehörde weiß keiner was von dem Antrag. Dabei hat Knopf ihn doch selbst verschickt.

Im Februar 2004 erhält er ein dickes Kuvert aus Bonn. Ein Packen Vorschriften, Gesetze und Kommentare. Auf der letzten Seite das Wichtigste: Es wird ein Briefkasten aufgestellt! Aber nicht in den Dardanellenweg, sondern in den Koppelweg. Fast direkt vor Knopfs Haustür. Der Rentner denkt: „Ich hab’s geschafft.“ Er hängt einen Zettel ans Gartentor für seine Nachbarn. Darauf steht: „Wir kriegen wieder einen Briefkasten!“

Der Zettel hängt und verblasst. Die Berliner Post will die Kosten fürs Aufstellen nicht übernehmen. Knopf schreibt jetztkeinen Brief mehr. Er ruft beim Rechtsamt in Neukölln an. Ein Mitarbeiter verspricht ihm die letzte, die entscheidende Hilfe – und hält Wort.

Seit kurzem steht der Briefkasten – im Koppelweg an der Ecke zum Teichrosenpfad. „Mein gelbes Wunder“ nennt Knopf den Kasten liebevoll. Manchmal sagt er auch: „Mein Tor zur Welt“. Knopf selbst schreibt nicht viele Briefe. Er hat Internet und E-Mail zu Hause. Warum dann der ganze Aufwand? „Ich empfand es als meine Bürgerpflicht“, sagt Knopf. „Man sollte nicht einfach alles hinnehmen.“ Mit Querulantentum habe das nichts zu tun. Hat sich der Aufwand gelohnt? Knopf ist sich sicher: „Auf jeden Fall.“ In diesem Moment wirft eine Frau einen Brief durch den Schlitz. Knopf lacht: „Das ist der Beweis.“ urs

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