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Schüler als Touristenführer: Neues Projekt in Kreuzberg schafft Selbstbewusstsein für Jugendliche

Schüler zweier Sekundarschulen in Kreuzberg zeigen Gleichaltrigen ihren Stadtteil. Das Projekt soll auf die Berufswahl vorbereiten

Ihre Nervosität sieht man Hadice fast nicht an. Die 15-Jährige steht im gut gefüllten Foyer des Kreuzberg-Museums in der Adalbertstraße 95A und singt „Unfaithful“ von Rihanna. Einmal muss sie neu ansetzen, doch sie hat ihr Auditorium im Griff. Genau das ist es, was das Projekt „Wir sind Kreuzberg!“ erreichen möchte: Jugendliche zu bestärken. In sich selbst und in ihrem Heimatgefühl für ihren Bezirk. Die jungen Kreuzberger – die meisten davon mit Migrationshintergrund – veranstalten Führungen durch ihren Kiez für Gleichaltrige aus anderen Bezirken und Bundesländern. Die Tour kostet pro Gruppe 50 Euro. Mit dem Geld wird ein gemeinsames Mittagessen für Gäste und Führer finanziert. Träger des Projekts ist das Fortbildungsinstitut für die pädagogische Praxis (FiPP), die Grundidee ist simpel: „Wir wollen die Jugendlichen auf Ausbildung und Beruf vorbereiten und mithelfen, dass auch sie vom Tourismus in Kreuzberg profitieren können.“ Katja Hermann ist Projektleiterin von „Wir sind Kreuzberg!“ und arbeitet mit zwei Sekundarschulen zusammen: „Wir möchten grundlegende Qualifikationen vermitteln: Kommunikation, Recherche, Präsentation, Marketing.“

Hadice und ihre Freundin Emriye waren zu Beginn der Touren überrascht von den ausgeprägten Vorurteilen, mit denen vor allem Nicht-Berliner Schulklassen ihrem Kiez begegneten: „Die denken oft, es gebe bei uns nur Ghettos, Drogen und Ausländer.“ Das wollen die jungen Touristenführer ändern. Gleichzeitig lernen sie selbst dazu: „Wir waren mit denen nach der Tour noch Döner essen und shoppen. Die sind so wie wir.“ Für Hadices Lehrerin Brigitte Weimann spielt dieser Aspekt eine entscheidende Rolle. Die Schüler sollen Grenzen überschreiten: „Es tut ihnen gut, rauszukommen aus der Schule. Weg von Noten- und Zeugnisdruck. Aber genauso wichtig ist es, einmal aus der eigenen Parallelwelt auszubrechen.“ Drei Stunden pro Woche geht es im Deutschunterricht nun um die Vorbereitung der Kieztouren. Für Weidmann ist das der richtige Weg: „Die Schüler erarbeiten sich wesentliche persönliche Grundfähigkeiten. Leute, die früher den Mund nicht aufbekamen, halten jetzt freie Präsentationen.“

Hadice ist sich sicher, dass sie von dem Projekt profitiert hat: „Ich bin selbstbewusster geworden und es fällt mir jetzt leichter, auf fremde Menschen zuzugehen“, findet sie. Trotz alledem – beruflich hat sie andere Pläne: „Ich möchte Sängerin werden. Und wenn das nicht klappt: Polizistin.“ Ferdinand Dyck

Fotos der Führungen sind bis zum 3. April im Kreuzberg-Museum ausgestellt (www.kreuzbergmuseum.de), der Eintritt ist frei. Infos zur den Touren: www.wirsindkreuzberg.de

Ferdinand Dyck

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