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Berlin: Schüler nach Hause, Lehrer zur Konferenz

Ein roter Opel steht mit offenen Türen vor dem Gebäude. Drei Zivilpolizisten beobachten vom Auto aus den Eingang, telefonieren immer wieder.

Ein roter Opel steht mit offenen Türen vor dem Gebäude. Drei Zivilpolizisten beobachten vom Auto aus den Eingang, telefonieren immer wieder. Gut 50 Meter entfernt steht ein Funkwagen. Vor dem Schulzaun wacht ein jüngerer Mann, als „Security“ ausgewiesen. „Hier kommt keiner rein. Befehl von ganz oben.“ Es ist Montag, zwölf Uhr mittags. Tag eins, an dem an der Rütli-Hauptschule ein neuer kommissarischer Direktor das Sagen hat.

Helmut Hochschild hat die Schüler um halb zwölf nach Hause geschickt, um hinter verschlossenen Türen Zeit für eine lange Lehrerkonferenz zu haben. Später wird er mitteilen, dass es sich um ein „durchaus geordnetes Schulhaus handelt – innen und außen“. Das zeige auch der gute Zustand der Klassenräume. „Ich erlebe ein rühriges Kollegium, das allerdings der Unterstützung von außen bedarf“. Er appelliert an die Presse, „mehr Rücksicht auf die Schülerschaft zu nehmen“. Ein Polizeieinsatz sei allein durch die Medienpräsenz provoziert worden.

Vor dem Gebäude an der Neuköllner Rütlistraße haben sich etwa zehn Schüler versammelt. Sie nennen Journalisten wechselnde Namen, lassen sich als Ali, Mahmoud oder Hassan zitieren. Sie sind in den letzten Tagen Profis geworden, die ihrem schlechten Ruf nur zu gern gerecht werden und auf Wunsch von Filmteams schon mal zu Steinen greifen. Die Schüler stehen vorm Tor, obwohl die Schule längst aus ist. „Wir haben doch sonst nichts zu tun“, sagt der 14-jährige Ali. Der neue Direktor habe sich allen Klassen vorgestellt, erzählt er. Der Neue habe ihnen versichert, dass er nicht daran glaubt, was über die Schule Schlimmes berichtet wird. Der Mann sei in Ordnung, sagt Ali einem Journalisten. „Aber ich rate dir, geh nicht hinein. Du kriegst Dresche“. Von wem? Achselzucken.

Mahmoud, ein Libanese, erzählt routiniert, was los ist in der Schule. „Im Unterricht macht jeder, was er will, die Lehrer setzen sich nicht durch.“ Deshalb verachte man sie. Es gebe zu viele Ausländer, lacht er, die Klassen seien zu groß, man bräuchte eigentlich zwei Lehrer für jede. Dann erzählt er, dass er die Schule vor zwei Jahren verlassen hat: rausgeflogen. Und ein Hassan berichtet, dass es in den Klassen an Farbe fehle, sie seien grau wie im Knast. „Ja, wie im Gefängnis“ bestätigt ein anderer. Keine Wandertage, nichts. Für Schäden in der Schule und für Prügeleien seien Fremde verantwortlich, etwa „Idioten“ aus der Realschule im selben Haus.

Mahmoud schlägt einem russischen Kamerateam vor, mit vier anderen zu rappen. Sie stellen sich auf und rappen, schimpfen im schnellen Rhythmus auf die Schule, auf fehlende Jobs, häufig ist von „ficken“ die Rede. Ein Journalist bittet, die Aufführung zu wiederholen, schreibt den Text mit. „Ey, wir sind berühmt“, strahlt Mahmoud. C. v. L.

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