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Berlin: Schüler-Protest: Trommeln in der Aula

Es ist nach 19 Uhr, und im Schulgebäude des Friedrichshainer Erich-Fried-Gymnasiums tummeln sich noch 200 Schüler. "Sehen Sie", zeigt der Elftklässler Jonas Schmidt auf sein T-Shirt auf dem "Chile" geschrieben steht, "das hat mir ein Austauschschüler geschenkt.

Es ist nach 19 Uhr, und im Schulgebäude des Friedrichshainer Erich-Fried-Gymnasiums tummeln sich noch 200 Schüler. "Sehen Sie", zeigt der Elftklässler Jonas Schmidt auf sein T-Shirt auf dem "Chile" geschrieben steht, "das hat mir ein Austauschschüler geschenkt. An unserer Schule lernt man nicht nur viele Sprachen - wir sind auch weltoffen und stellen einiges auf die Beine. Und deswegen darf man uns keinesfalls schließen!"

Seit die Schüler des Friedrichshainer Erich-Fried-Gymnasiums im März 1999 zum ersten Mal aus dem Bezirksamt hörten, dass ihre Schule geschlossen werden sollte, machen sie mobil: Sie warben berlinweit um neue Schüler, veranstalteten Harry-Potter- und Erich-Kästner-Nächte, schrieben hunderte Postkarten an Schulsenator Klaus Böger (SPD). Vorgestern Nacht luden die Schüler zum vorläufigen Höhepunkt der Kampagne: Das Gebäude in der Strausberger Straße wurde für eine Nacht besetzt.

Dem Besucher bot sich schon am Abend ein lebendiges Bild: Mit Isomatten und Schlafsäcken bewaffnet bezogen die Schüler die Räume, in denen sie sonst vor ihrem Lehrer sitzen. In der Aula spielte die Trommel-AG auf, in der Küche wurde Brot gebacken, auf den Gängen heftig diskutiert. Zur abendlichen Vollversammlung erschien nicht nur die fast vollzählige Schülerschaft, sondern auch etwa hundert Mütter und Väter, die meisten Lehrer sowie die Direktorin.

Für die Schüler, die viele der Proteste fast im Alleingang auf die Beine gestellt haben, ist die vom Bezirksamt geplante Fusion mit dem benachbarten Andreas-Gymnasium ein Gräuel: "Es gibt kaum eine Schule, an der der Zusammenhalt so groß ist wie bei uns", sagt die Siebtklässlerin Luisa Mitzkat, "wir haben einfach Angst, dass das verloren geht." Dazu komme, dass das Erich-Fried-Gymnasium sprachlich, das Andreas-Gymnasium hingegen naturwissenschaftlich orientiert sei.

In der Tat gibt es am EFG, wie das Fried-Gymnasium hier genannt wird, einen Gemeinschaftsgeist, wie ihn sich viele Schulen nur wünschen können: Schüler und Eltern haben die Wände gestrichen und jede einzelne Tür mit Pop-Art-Motiven von Keith Haring bemalt. Das umfangreiche Angebot an Arbeitsgemeinschaften ist gut besucht. Es werden "Kamingespräche" mit Politikern und Publizisten veranstaltet, es gibt ein Schulkino. Und es gibt - nicht zuletzt auf Grund der massiven Eigenwerbung - mehr Anmeldungen als Plätze: Zehn Schüler klagten sich zum vergangenen Schuljahr ein. All das, so fürchten sie jetzt, ginge bei einer Fusion verloren. "Wer weiß denn", fragt die Schülerin Mathilde Gast, "ob die anderen uns überhaupt wollen und das machen lassen, was sich hier entwickelt hat?"

In den kommenden Tagen will das Bezirksamt eine endgültige Entscheidung fällen. Zur Begründung der Schließungspläne heißt es: Angesichts sinkender Schülerzahlen müsse auf eines der Friedrichshainer Gymnasien verzichtet werden. Außerdem sei das EFG ohnehin in einem sanierungsbedürftigen Zustand. Jener Zustand aber, so wurde vorgestern Abend mehr als deutlich, ist überhaupt nicht das, was die Schüler in erster Linie interessiert: "Was interessiert mich denn die Turnhalle?", fragt Jonas Schmidt trocken - "da bin ich doch nur drei Stunden in der Woche, eine gute Atmosphäre an der Schule nützt mir aber von Montag bis Freitag."

Jeanette Goddar

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