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Gute Aussichten. Für fast alle Ausbildungsberufe gibt es in Berlin Lehrstellen. Abitur braucht man dafür fast nie.

© Thilo Rückeis

Schulausbildung: Gute Jobs gibt es auch ohne Abitur

Die Kammern und Verbände in Berlin sehen positive Berufschancen für Bewerber mit anderen Schulabschlüssen. Auch die Betriebe vertrauen nicht nur auf Zeugnisnoten und machen eigene Tests.

Von Fatina Keilani

Wer es auf dem Gymnasium nicht schafft, muss sich nicht gleich Sorgen um seine berufliche Zukunft machen. So lauten die übereinstimmenden Aussagen von Handwerkskammer, Industrie- und Handelskammer und Unternehmen. Wie berichtet, ist derzeit bei rund 1000 Siebtklässlern absehbar, dass sie das Gymnasium wieder verlassen müssen. Zahlreiche Eltern haben die Leistungsfähigkeit ihrer Kinder überschätzt, ab kommenden Jahr werden diese auf Sekundarschulen wechseln. Die Berufschancen der Jugendlichen muss das jedoch nicht schmälern. Grund ist der aktuelle Fachkräftemangel. „Wir können es uns nicht leisten, auch nur auf einen zu verzichten“, sagt etwa Bernhard Schodrowski, Sprecher der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin. „Wir müssen jeden in eine betriebliche Ausbildung hineinbekommen.“

In manchen Berufen wird durchaus noch das Abitur gewünscht, das Berliner Schüler im Gymnasium ebenso ablegen können wie in der Sekundarschule. Aber die Zeiten, in denen Betriebe eine Hochschulreife für normale Lehrberufe verlangen konnten, sind vorbei. Die meisten Firmen sind heute froh, wenn sie überhaupt geeignete Bewerber haben. Auf der Internetseite der IHK zum Beispiel werden aktuell 1653 Ausbildungsplätze in 113 Berufen angeboten; die wenigsten Arbeitgeber verlangen Abitur. Einer davon ist das Hotel Estrel. Ein Anruf dort ergibt jedoch: Gehen viele Bewerbungen ein, so fallen Bewerber ohne Abitur zwar schnell durchs Raster. Ein guter persönlicher Eindruck aber, etwa beim Bewerbertag oder im Praktikum, mache das mehr als wett.

Eltern sollten ihr Kind nicht zum Gymnasium zwingen, wo es vielleicht nur Misserfolgserlebnisse hat

Deutlich herauszuhören ist bei den Arbeitgebern ein generelles Misstrauen gegenüber Schulnoten. „Immer mehr Betriebe machen eigene Tests und erleben dabei manche Überraschung“, sagt Ronald Philipp von der Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin und Brandenburg. „Zeugnisnoten sind nicht sehr aussagekräftig. Die Leistungen bei den Tests der Unternehmen weichen zum Teil stark davon ab.“ Lehrer seien eben subjektiv.

Genau das bestätigt Martin Stöckmann, Ausbildungschef für die Region Nordost bei Siemens. Der Großkonzern filtert seit September in einem Onlineverfahren geeignete Bewerber heraus. Das Zeugnis wird erst später im Verfahren angeschaut – mit besonderem Augenmerk auf Fehlzeiten. Schulschwänzer gelten nämlich als unzuverlässig. Wolfgang Rink von der Handwerkskammer Berlin: „In erster Linie geht es darum, gute und motivierte Auszubildende zu haben.“ 190 freie Lehrstellen weist die Internetseite der Kammer aus; welcher Bildungsabschluss erwartet wird, steht immer dabei. Abitur ist dort sehr selten verlangt. „Etliche Betriebe haben gute Erfahrungen mit Schülern gemacht, die keine berauschenden Noten hatten“, sagt Rink. „Manche blühen im Beruf einfach auf.“

Klaus-Dieter Teufel, UVB-Bildungsgeschäftsführer, betont: „Eltern sind schlecht beraten, ihr Kind aufs Gymnasium zu zwingen, wo es nur Misserfolgserlebnisse hat.“ Wichtig sei, dass das Kind einen Schulabschluss hat: „Das größere Problem sind für uns diejenigen ohne Abschluss. Sie haben kaum eine Chance auf einen Ausbildungsplatz.“

Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz und ihr Staatssekretär Christoph von Knobelsdorff wollten sich zum Thema nicht äußern.

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