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Berlin braucht neue Lehrer, denn viele Pädagogen gehen in Pension..

© dpa

Schulbeginn in Berlin: 2000 neue Lehrer - doch Berlin kann noch nicht aufatmen

Lehrer sind gefragt wie lange nicht mehr, Berlin hat es geschafft und zum Schulbeginn 2000 Stellen neu besetzt. Doch die Probleme sind damit nicht behoben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Susanne Vieth-Entus

Wenn bayerische Pädagogen in Schöneberg Wohngemeinschaften gründen, wenn es in Neuköllner Lehrerzimmern plötzlich nach Ruhrpott klingt oder in Biesdorf nach Schwaben – dann hat in Berlin die Schule begonnen.

Der Sommer 2014 war für eine Überraschung gut. 2000 Lehrerstellen konnten besetzt werden, obwohl Berlin nicht im Entferntesten genug eigene Kräfte zu bieten hatte. Die Rettung kam zum großen Teil aus den südwestlichen Bundesländern, die zu viele Lehrer ausgebildet haben. Und sie kam, zum kleineren Teil, von Seiteneinsteigern aus anderen Berufen. 3800 von ihnen hatten sich beworben, aber nur 300 wurden gebraucht, so dass eine strenge Auswahl möglich war. Eine Chance hatten letztlich nur Akademiker, die nachgefragte Fächer vorweisen konnten.

Interessante Quereinsteiger

Viele von ihnen haben interessante Lebensläufe zu bieten und ganz anderes als die ausgebildeten Lehrer, die oftmals nicht viel mehr gesehen haben als Schule-Uni-Schule. Die Quereinsteiger haben Sport studiert, aber dann erst mal ein Fitnessstudio aufgebaut. Sie haben ein Diplom in Physik, Musik oder Mathematik und erst mal in der Entwicklungshilfe oder in der Forschung gearbeitet, weil sie in Berlin und seinen Nachbarländern keine Aussicht auf eine Stelle hatten. Der Nachwende-Geburtenknick machte ein Lehrerstudium viele Jahre lang unattraktiv.

Lehrer sind gefragt wie nie

Jetzt ist alles anders. Der Schülerzuwachs bei gleichzeitiger Pensionierungswelle hat die Verhältnisse auf den Kopf gestellt. Lehrer sind gefragt wie lange nicht mehr, und weil Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, bekommen sie gutes Geld bezahlt und unbefristete Verträge. Nicht mehr lange und das hohe Durchschnittsalter der Berliner Lehrer von knapp 50 Jahren wird endlich sinken. Berlin kann aufatmen – falls der hohe Lehrerüberhang in den anderen Bundesländern auch in den nächsten Jahren noch für Entspannung sorgt und gut ausgebildete Pädagogen nach Berlin schwemmt. Denn Seiteneinsteiger allein können die Berliner Schulen nicht retten: Wer von Pädagogik und Didaktik keine Ahnung hat und vom Lehrplan nur vage Vorstellungen besitzt, ist im Kollegium erst mal keine zuverlässige Stütze, wenn es gilt, eine anspruchsvolle oder schwierige Schülerschaft zu bewältigen.

Große Herausforderungen

Darum aber geht es in Berlin: Überproportional viele arme, unterpriviligierte und zu Hause schlecht geförderte Schüler müssen versorgt werden. Da sind tausende Flüchtlingskinder, und da sind die zehntausenden hier geborenen Schüler mit Lern-, Sprach- und Verhaltensstörungen. Ohne Profis ist ihnen nicht beizukommen, zumal die rot-schwarze Koalition bisher nicht imstande war, die Integration oder gar Inklusion dieser Schüler angemessen zu finanzieren.

2014 war erst der Anfang

Deshalb muss es mehr denn je darum gehen, gut ausgebildete Lehrer in die Berliner Schulen zu holen. Die Universitäten sollten mit Eignungstests und Praktika die geeignetsten Studenten herausfiltern, um Studienabbrüche zu vermeiden; gleichzeitig muss das Land den Lehrern gute Konditionen bieten, damit sie in Berlin bleiben und weiterhin aus anderen Bundesländern herkommen. Denn Berlin ist noch lange nicht am Ziel. Die Stadt braucht all die Schwaben und Bayern und auch die Seiteneinsteiger mit ihren bunten Erfahrungen, weil bis 2020 noch weitere 10 000 neue Lehrer gebraucht werden. Die Einstellungswelle im Sommer 2014 war erst der Anfang. Aber ein guter. Heute ist ihr erster Schultag.

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