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© dpa

Schule: Aus dem Betrieb direkt ins Klassenzimmer

Bildungsministerin Schavan will Firmenprofis an die Schulen holen. Dabei ist das längst üblich in Berlins Schulen, wo externe Fachleute regelmäßig Vorträge halten und Kurse übernehmen.

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) fühlt sich gehörig missverstanden: Ihre Forderung an Unternehmen, „Top-Mitarbeiter für den Schulunterricht freizustellen“, wird seit zwei Tagen landauf landab von den Lehrerverbänden bis hin zur IHK brüsk zurückgewiesen und abwechselnd als Karnevalsscherz oder Zumutung abgekanzelt. Am Dienstag nun betonte Schavans Sprecherin, dass die Aufregung unnötig sei.

„Frau Schavan will gar nicht, dass Manager regulären Unterricht übernehmen. Sie tritt nur dafür ein, dass sie gelegentlich in die Schulen gehen und Einblicke in die Arbeitswelt geben“, stellte Ministeriumssprecherin Tiziana Zugaro richtig. Es gehe nur um „zusätzliche Impulse“.

In der „Bild“-Zeitung klang das allerdings anders: Schavan schlage vor, dass ein Ingenieur zwei Stunde wöchentlich Physik- oder Mathematikunterricht geben könne, war da am Montag zu lesen. Dies hatte dann die breite Kritik ausgelöst, die auch am Dienstag noch anhielt: Berlins GEW-Vorsitzende Rose-Marie Seggelke sprach von einem „Beitrag zum Rosenmontag“, Mieke Senftleben (FDP) von einer „Schnapsidee“.

Dabei ist das, was die Bundesbildungsministerin eigentlich gemeint haben will, längst üblich in Berlins Schulen, wo externe Fachleute regelmäßig ein und aus gehen: Sie halten Vorträge, übernehmen Kurse oder arbeiten Hand in Hand als sogenannte „Dritte“ mit Lehrern und Schülern zusammen.

„Seit 18 Jahren unterrichten wir nach diesem Konzept“, berichtet Hildburg Kagerer, Leiterin der Kreuzberger Ferdinand-Freiligrath-Oberschule. Vom Webgraphiker bis zum Diplomingenieur für Gartenbau und zur erfolgreichen Textildesignerin aus Japan reicht das Spektrum der Berufstätigen, die vier Stunden pro Woche ihr Fachwissen einbringen. „Es geht darum, die Authentizität der Lebenswelt in die Schule zu holen“, erläutert Kagerer das Konzept, um das sie hart kämpfen musste. Unterstützung fand sie unter anderem beim Sponsor BMW, der sich vier Jahre lang dafür engagierte, dem Projekt zum Erfolg zu verhelfen.

Ganz selbstverständlich arbeiten Fachleute von außen auch an den Berufsschulen mit. Dazu gehören nicht nur die Hunderte „Seiteneinsteiger“, die aus unterschiedlichen Gründen ihren Beruf aufgegeben haben. „Es gibt auch Fachleute von außen, die nur stundenweise unterrichten“, berichtet Pit Rulff, der das Wittenauer Oberstufenzentrum für Druck- und Medientechnik leitet.

Als Beispiel nennt Rulff einen Mitarbeiter des Fachverbands der Druck- und Medienindustrie: Er unterrichtet an Rulffs Schule vier Stunden pro Woche das Fach „Technisches Englisch“. Finanziert wird er aus dem Personalkostenbudget, weil kein regulärer Lehrer zu finden war. Eine weitere Lücke füllt ein externer Fachmann im Bereich der Buchbinderei. Hier ist der Lehrer auf Dauer erkrankt.

„Die externen Mitarbeiter setzen andere Akzente und sind technisch auf dem neuesten Stand“, nennt Rulff die Vorteile ihres Einsatzes. Gut sei es , wenn Firmenprofis stundenweise und zusätzlich an die Schulen kämen. Zur Vorsicht rät er allerdings, wenn Nicht-Pädagogen vollständig Lehreraufgaben übernehmen sollen: Rund 50 Prozent seiner „Seiteneinsteiger“ brauchten länger als ein halbes Jahr, um sich gut in den Klassen zurechtzufinden, berichtet Rulff; Klassen, in denen 16- bis 25-Jährige mit unterschiedlichsten Voraussetzungen säßen. „Ich möchte eigentlich keine Seiteneinsteiger mehr“, sagt Rulff im Rückblick auf seine mehrjährigen Erfahrungen.

Auch Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) warnte am Dienstag davor, Externe eigenverantwortlich Schulfächer unterrichten zu lassen. Grundsätzlich sei er aber dafür, dass sich Schulen der Wirtschaft oder dem Handwerk öffnen sollten. Dieses Fachwissen könne gut im Rahmen von Schulprojekten eingebracht werden, sagte er dem RBB-Inforadio.

Bei der Industrie- und Handelskammer reagierte man ebenfalls zurückhaltend. Es sei zwar richtig, „sich gelegentlich Sachverstand von außen zu holen“. Firmen könnten ihre Mitarbeiter aber unmöglich regelmäßig frei stellen, sagte Christoph von Knobelsdorff, der Geschäftsführer für die Aus- und Weiterbildung.

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