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Hand drauf. Klassik ist gar nicht so übel, und ihr könnt euch ruhig trauen – das will Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic den Schülern der Klasse 9c der Gustav-Freytag-Schule aus Reinickendorf in den Proben vermitteln.

© Thilo Rückeis

Schule in Berlin: "Oper sucht Klasse!": Casting-Show mal klassisch

Bei dem Schülerwettbewerb "Oper sucht Klasse!" tauchen Jugendliche in die hohe Kunst des Gesangs ein. Fünf Schulklassen treten singend und spielend gegeneinander an - vor dem Publikum der Komischen Oper.

Für die Schüler ist es eine ungewohnte Welt, in der sie ihre heutige Musikstunde abhalten. Statt des Motorenlärms der Maschinen, die in der Einflugschneise des Flughafens Tegel über ihre Schule donnern, hören sie von nebenan eine Opernsängerin ihre Oktaven üben. Schauplatz: die Orchesterprobebühne der Komischen Oper Berlin.

Der imaginäre Vorhang fällt. Die Regisseurin Jasmina Hadziahmetovic kündigt ihre Schützlinge an. „Klasse 9c der Gustav-Freytag-Sekundarschule aus Reinickendorf!“, ruft sie. Die Schüler eilen auf ihre Positionen: die Mädchen rechts, die Jungs links. Dann stimmen sie ein Operettenstück an: „Wenn wir Türken küssen / Wenn wir küssen müssen / Sind wir niemals nur in eine Frau verliebt.“ Das läuft nicht ohne Gegrinse und Seitenblicke zwischen Mädchen- und Jungsmannschaft ab. Doch die Schüler wissen: Was sie vor ihrer Musiklehrerin und den Gesangs- und Choreografie-Trainern aufführen, werden sie wenig später vor 1200 Zuschauern darbieten, auf der Bühne der Komischen Oper. Beim Projekt „Oper sucht Klasse!“ treten am heutigen Dienstag fünf Berliner Schulklassen aus fünf Bezirken in einer als Castingshow inszenierten Aufführung gegeneinander an. Dafür proben die Schüler jeweils zwei Stücke aus der Operette „Ball im Savoy“ von Paul Abraham - die auch im aktuellen Spielplan der Komischen Oper läuft. Am großen Tag auf der Opernbühne werden die Schüler von einer Jury beurteilt. Dazu zählen neben Barrie Kosky, Intendant der Komischen Oper, auch ein Choreograf, ein Dirigent und ein TV-Produzent. Das Projekt, das von der PwC-Stiftung Jugend – Bildung – Kultur gefördert wird, findet dieses Jahr zum zweiten Mal statt.

Auch pubertierende Schüler machen gerne mit

Projektleiterin und Musiktheaterpädagogin Anne-Kathrin Ostrop von der Komischen Oper weiß, zu welcher Konzentration die pubertierenden Jugendlichen in der Lage sind – wenn sie es nur wollen. 2014 habe es eine Klasse gegeben, bei der sie zur Generalprobe noch gedacht habe: „Auweia.“ Zwei Teenager, die in einem Solo-Part der „West Side Story“ vor ihren Klassenkameraden über Sehnsucht singen – da gab es Probleme wegen mangelnder Ernsthaftigkeit. Doch im entscheidenden Moment wurde Ostrop überrascht: „Als sie den Fuß auf die Bühne gesetzt haben, war das plötzlich da, was wir vorher nicht gesehen hatten. Und die Zuschauer haben es auch gespürt.“

Konzentriert proben die Schüler die Stücke, die sie bei "Oper sucht Klasse!" aufführen werden.
Konzentriert proben die Schüler die Stücke, die sie bei "Oper sucht Klasse!" aufführen werden.

© Thilo Rückeis

Ähnliches macht sich schon bei den Proben bemerkbar. Beim Stück „Es ist so schön am Abend bummeln zu gehn“ legt die 14-jährige Büsra Özen plötzlich eine Hip-Hop-Tanzeinlage aufs Parkett, die in ihrer Ausdrucksstärke und Energie kaum zu übertreffen ist. Sie hat die Choreografie aus einem Tanzkurs mitgebracht und wird von einigen Mitschülerinnen begleitet. Doch es hätten nicht nur die profitiert, die in ihrer Freizeit sowieso auf die Bühne streben, wie Büsra und ihre Freundin Melisa Gül, die schon Schauspielunterricht genommen hat. Auch der 15-jährige Ramon Happ gesteht: „Erstmal habe ich rumgestänkert.“ Doch dann wollte er doch lieber mitmachen als nachsitzen. Und hat jetzt die Erfahrung gemacht, wie toll die Klasse als Team zusammengewachsen ist.

Monatelang haben die Jugendlichen sich vorbereitet

Seit September haben die Schüler am Gesang und an den Choreografien gefeilt. Neben der Klasse aus Reinickendorf sind, wie schon 2014, jeweils eine neunte Klasse des Arndt-Gymnasiums in Dahlem, des Johann-Gottfried-Herder-Gymnasiums in Lichtenberg, der Rudolf-Virchow-Oberschule in Marzahn und des Werner-von Siemens-Gymnasiums in Zehlendorf dabei. Meist proben sie im Musikunterricht und werden dabei auch durch einen externen Gesangstrainer von der Universität der Künste Berlin unterstützt. Mit einem Medienpädagogen der Komischen Oper Berlin diskutieren die Schüler außerdem über das Wesen von Castingshows. Neben einer kritischen Betrachtung der Rahmenbedingungen solcher Shows geht es auch um die Kriterien, mit denen man das Publikum von sich überzeugen kann: musikalische Qualität, Choreografie und Ausstrahlung.

Zur Vorbereitung waren sie alle in einer Aufführung der „West Side Story“ an der Komischen Oper. Büsra Özen sagt: „Vorher dachte ich immer, dass man da nur Opern singt, so…“ – die Schülerin reckt gespielt affektiert einen Arm in die Luft und imitiert eine Opernsängerin - „…oooooh!“. Alle Klassen dürfen im Anschluss eine Aufführung von „Ball im Savoy“ von den Profis an der Komischen Oper sehen – die Siegerklasse auf Ehrenplätzen. Klar, es geht auch darum, junges Publikum zu gewinnen. Am Ende beobachtet Anne-Kathrin Ostrop bei den Schülern eine Entwicklung, in der für sie der entscheidende Unterschied zu Castingshows liegt. Statt den Wettbewerb als Anlass zu nehmen, über andere abzulästern, würden die Schüler hier lernen, die Erfolge der anderen anzuerkennen.

Die Stücke werden von den Schulklassen am heutigen Dienstag, 13. Januar, ab 11 Uhr aufgeführt. Komische Oper Berlin, Behrenstr. 55-57, Mitte. Die Karten kosten 8 bis 9 Euro, ermäßigt 5,50 Euro. www.komische-oper-berlin.de

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