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Schule: NC fürs Gymnasium: Kaum Chancen für Migranten

In Berlin mehren sich die Stimmen gegen strengere Aufnahmebedingungen an Gymnasien. Bildungspolitiker, Eltern und Schüler befürchten einen drastischen Rückgang des Migrantenanteils - Schulleiter wünschen sich dagegen höheres Niveau.

In Berlin mehren sich die Stimmen gegen strengere Aufnahmebedingungen an Gymnasien. Bildungspolitiker, Eltern und Schüler befürchten einen drastischen Rückgang des Migrantenanteils, sollte die bisher sehr offene Regelung gekippt werden. Die Folge seien „weiße Gymnasien“, also Gymnasien ohne Zuwanderer. Die ersten Warnungen wurden bereits an die Bildungsverwaltung herangetragen. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) will demnächst über die strengeren Zugangsbedingungen im Rahmen der Strukturreform entscheiden.

Hintergrund der Befürchtungen ist, dass in Berlin viele Migranten aus bildungsfernen Schichten kommen: Den Kindern fehlt es an familiärer Förderung, und außerdem haben sie mehrheitlich Defizite im Deutschen. Die Folge ist, dass sie an den Gymnasien schon jetzt deutlich unterrepräsentiert sind. Aber auch von den wenigen, die es auf ein Gymnasium schaffen, haben längst nicht alle eine Gymnasialempfehlung: Bisher ist es auch mit einer Realschulempfehlung und einem schwachen Zensurenschnitt möglich, auf ein Gymnasium zu kommen.

Viele Gymnasien in den Innenstadtbereichen können ihre Klassen nur noch dadurch füllen, dass sie in großer Zahl real- oder sogar hauptschulempfohlene Kinder aufnehmen. Allein in Mitte sei dies bei fünf der neun Gymnasien der Fall, hieß es gestern am Rande eines Bildungskongresses, der sich mit den Problemen der Schulen in den sozialen Brennpunkten befasste (Seite 10).

Anlass der Diskussion um einen verschärften Numerus Clausus für Gymnasien ist das Vorhaben des Senats, nur noch zwei allgemeinbildende Schulformen beizubehalten: Gymnasien und Sekundarschulen. Da die Gymnasien die Kinder künftig nicht mehr bei fehlender Leistung „nach unten“ abgeben können sollen, wollen sie von vorn herein nur noch leistungsstarke Kinder aufnehmen.

Neuköllns Bildungsstadtrat Wolfgang Schimmang (SPD) wehrt sich vehement gegen zu hohe Zugangshürden. Es sei „integrationspolitisch verheerend“, wenn der Anteil an der Migranten an den Gymnasien noch weiter sinken würde, findet Schimmang. Er erwartet dass „50 Prozent der Innenstadtgymnasien ausgelöscht werden“, wenn Schüler nur noch mit „Zweien“ in den Hauptfächern auf das Gymnasium dürften. Das trüge „Unfrieden in die Stadt“. Zudem hält Schimmang es ebenso wie Landeselternsprecher André Schindler für ungerecht, die Grundschulzensuren als alleinigen Maßstab für die Gymnasialtauglichkeit zu nehmen: „Die Bewertungsmaßstäbe der Lehrer variieren von Schule zu Schule“, gibt Schindler zu bedenken.

„Ein strenger NC privilegiert das Gymnasium“, sagt Özcan Mutlu von den Bündnisgrünen. Zudem sieht auch er die Gefahr, „dass es sozial Schwache und Migranten nicht mehr auf das Gymnasium schaffen“. Mutlu plädiert für ein dreigliedriges Aufnahmeverfahren, das sich aus dem Votum der Grundschule, den Kompetenzen des Kindes und einem Aufnahmegespräch mit dem Gymnasium zusammensetzt.

In die Reihe der Mahner reiht sich auch die Vorsitzende des Landesschülerausschusses, Laura Fritsche. Sie befürchtet eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“, wenn es nur noch die Kinder auf das Gymnasium schaffen, die zu Hause von ihren Eltern gefördert werden.

„Die Integration gelingt doch nicht besser, wenn man sich was vormacht“, hält Jochen Pfeifer, Leiter des John-Lennon- Gymnasiums, dem entgegen. Gymnasien, die in erster Linie aus realschulempfohlenen Kindern bestehen, seien „Mogelpackungen“. Damit liegt er auf einer Linie mit den GEW-Schulleitern und dem Verband der Oberstudiendirektoren. Auch sie plädieren für strenge Zugangshürden – um die Leistungsfähigkeit der Gymnasien zu erhöhen und eine bessere Mischung an den Sekundarschulen zu erreichen.

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