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Hinter den Wänden der Lehrerzimmer herrschte am Montag erneut Unverständnis über die geringe Halbwertzeit von Senatsankündigungen.

© dpa/Daniel Karmann

Arbeitszeit der Lehrer: Bildungssenatorin unterliegt im Senat

Ja, nein, vielleicht: Die Bildungsverwaltung korrigiert sich abermals. Teilzeitbeschäftigte erhalten kaum Altersentlastung. Die GEW kritisiert "Organisationschaos".

Da hatte die Bildungssenatorin den Mund dann doch zu voll genommen: Sandra Scheeres (SPD) ist im Senat mit ihrem Vorhaben gescheitert, allen Lehrkräften eine Altersermäßigung zukommen zu lassen. Teilzeitbeschäftigte können nur noch unter bestimmten Voraussetzungen von der Entlastung profitieren. So steht es in dem neuesten Rundschreiben, das am Montag an die Schulen ging und dem Tagesspiegel vorliegt. Außerdem hat Scheeres es nicht mehr geschafft, die Präsenzpflicht der Lehrer am Ende der Sommerferien rechtzeitig neu zu regeln. Das bedeutet, dass die Pädagogen nur einen Tag statt drei Tage vor Ende der Sommerferien in den Schulen erscheinen müssen. Erst 2015 kommt die Drei-Tage-Pflicht.

Das Erstaunen der Schulleiter war groß, als sie die inzwischen vierte Fassung des Rundschreibens zur Planung des nächsten Schuljahres in Händen hielten: Jedes Mal wurden sie mit neuen Varianten konfrontiert, wie die seit zwei Jahren geplante Auflösung der Arbeitszeitkonten denn nun abzulaufen habe. Zwar hatten Scheeres und Finanzsenator Ulrich Nußbaum (für die SPD) schon im April 2013 verkündet, dass die Abschaffung der Arbeitszeitguthaben mit der Einführung einer Altersermäßigung einher gehen sollte. Jedoch waren heikle Punkte ausgelassen worden, wie zum Beispiel die Frage, ob auch Teilzeitbeschäftigte von der Altersermäßigung profitieren.

Mehrere Chefgespräche fanden statt - es half nichts

An diesem Punkt hatte sich Scheeres besonders engagiert. Am 30. Januar teilte sie in einem von ihr selbst unterzeichneten Schreiben den Schulen mit, sie habe „entschieden“, dass alle Lehrer, also auch Teilzeitbeschäftigte und Schulleiter, eine Altersermäßigung erhalten und zwar eine Stunde ab dem 58. Lebensjahr und zwei Stunden ab 61. Da schien kaum noch ins Gewicht zu fallen, dass es den einschränkenden Satz gab, wonach die Gesamtregelung „unter dem Vorbehalt einer abschließenden rechtlichen Regelung“ stehe. Seither wurde hinter den Kulissen im Senat bei mehreren Chefgesprächen um die von Scheeres gewünschte großzügige Umsetzung der Altersermäßigung gerungen – so lange, bis es fast zu spät war, denn die Regelungen haben direkte Auswirkungen auf die Personalplanung, und die ist besonders schwierig angesichts des akuten Lehrermangels. Scheeres jedenfalls konnte sich nicht durchsetzen.

Ein Schulleiter nennt das Hin und Her "besorgniserregend"

Und nun die späte Korrektur: Laut dem neuen Rundschreiben sollen nur die Lehrer, die mindestens zwei Drittel des regulären Stundensolls unterrichten, die volle Altersermäßigung bekommen. Wer weniger als eine halbe Stelle hat, bekommt gar nichts, und wer zwischen einer halben und einer Zweidrittelstelle liegt, darf ab dem 60. Lebensjahr nur eine Stunde weniger unterrichten. Der Vorsitzende der Vereinigung Berufliche Bildung in Berlin, Stefan Platzeck, der die Staatliche Technikerschule leitet, nannte das Hin und Her gegenüber dem Tagesspiegel „besorgniserregend“. Allerdings bleibt es bei der von Scheeres verfochtenen Linie, dass Schulleiter und andere "Funktionsstelleninhaber", die voll arbeiten, von der Alterermäßigung profitieren können, auch wenn sie nicht voll unterrichten aufgrund ihrer zusätzlichen Aufgaben.

Die negative Nachricht muss der Staatssekretär überbringen

Er bedauere die „abstimmungsbedingten späten Klarstellungen“ schreibt Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD), der den Schulen die schlechte Nachricht überbringen musste. Die Lehrergewerkschaft GEW schlussfolgerte nach der „Rolle rückwärts“, dass der Finanzsenator „das Bildungsressort übernommen hat“, wie die GEW-Vorsitzende Doreen Siebernik sich ausdrückte. Nußbaum ist offenbar alarmiert, weil die Auflösung der Arbeitszeitkonten und die Altersermäßigung pro Jahr insgesamt 56 Millionen Euro kosten sollen. Noch mehr wollte er nicht geben. Wie viel die Rückerstattung der nach jahrelanger Mehrarbeit aufgehäuften Arbeitszeitkonten insgesamt kosten werden, wurde bislang nicht bekannt gegeben. Es dürfte sich allerdings um einen hohen dreistelligen Millionenbetrag handeln. Die Lehrer haben drei Möglichkeiten, sich die Mehrarbeit erstatten zu lassen.

Drei Optionen für die Auflösung der Arbeitszeitkonten

Eine Option besteht darin, dass die zuviel gearbeiteten Stunden vor der Pensionierung genommen werden, so dass die Betreffenden früher aus dem Dienst scheiden. Wer älter als 58 ist, kann die Überstunden nutzen, um die Pflichtstundenzahl pro Woche zu reduzieren. Er könnte ein, zwei oder drei Stunden weniger unterrichten. An 63 Jahren lässt sich die Unterrichtsverpflichtung noch mehr reduzieren. Hinzu kommt dann die reguläre neue Altersermäßigung, sodass sich die Arbeitsbelastung für ältere Lehrer erheblich reduzieren würde.

Berlins Lehrer waren bislang die bundesweit einzigen ohne Altersermäßigung.
Berlins Lehrer waren bislang die bundesweit einzigen ohne Altersermäßigung.

© Kitty Kleist-Heinrich .

Wer sich entscheidet, eine Stunde weniger zu unterrichten, bekommt pro Jahr acht freie Tage von seinem Arbeitszeitkonto abgezogen. Wer also zum Beispiel fünf Jahre lang eine Stunde weniger unterrichtet, "verliert" am Ende 45 freie Tage. Entsprechend entfällt dann die Möglichkeit, wesentlich früher in Pension zu gehen. Die Bildungsverwaltung wollte nur sieben Tage in Abzug bringen, konnte sich aber auch damit nicht durchsetzen. Die dritte Option besteht darin, sich die Mehrarbeit finanziell abgelten zu lassen. Bislang wissen die Lehrer allerdings nicht, welchen Betrag sie erwarten können: Die entsprechende Verordnung ist noch nicht beschlossen worden. Dem Vernehmen nach ist die Senatsverwaltung für Inneres dafür zuständig. In ihren Bereich fällt auch die Verordnung, in der es um die Präsenztage vor dem Ende der großen Ferien geht. Da auch diese Regelung noch nicht fertig abgestimmt ist, wird sie erst im kommenden Schuljahr umgesetzt werden müssen.

Die GEW beklagt ein "Organisationschaos" als Folge des Senatsstreits

Die GEW beklagt am Montag auch die fehlende Planungssicherheit der Lehrer als Folge der Uneinigkeit im Senat. Besonders eklatant sind die Folgen für Lehrer, die in Erwägung gezogen hatten, ihre Unterrichtsverpflichtung zu reduzieren. Zum Jahreswechsel mussten sie davon ausgehen, dass sie sich um ihre Alterermäßigung bringen, wenn sie weniger als 50 Prozent arbeiten. Dies bewog etliche Lehrer, von dem Gedanken Abstand zu nehmen. Als Scheeres dann am 30. Januar verkündete, dass sie die Altersermäßigung für alle Lehrer wolle, wurden die Teilzeitpläne mancher Pädagogen wiederum beflügelt. Seit Montag nun wissen sie, dass sie sich unter Umständen doch um ihre Altersentlastung bringen werden. "Die Kolleginnen und Kollegen erleben fünf Wochen vor Beginn der Sommerferien ein völliges Organisationschaos und müssen ihre persönlichen Planungen für das kommende Schuljahr neu überdenken", fasste GEW-Chefin Siebernik die Situation zusammen.

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