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Schwieriger als Vokabeln lernen: Die Wahl der richtigen Schule.

© IMAGO

Berliner Familien auf Schulsuche: Was will ich und wenn ja, wohin?

Im Februar müssen Sechstklässler ihre weiterführende Schule finden. Für Geschwister- und Bezirkskinder wird es leichter. Aber die Beratungspflicht für schwache Schüler lässt sich Zeit. Ein Ratgeber.

Das Ökologie-Haus! Die vielen Smartboards! Die Tablet-Computer! Und dann auch noch die Profilklasse für naturwissenschaftlich Begabte! Vier Schulen hat sich Christine Neitzel* mit ihrem Sohn Jan angesehen, aber für welche sollen sie sich entscheiden? Die Zeit drängt, denn bald nach den Winterferien beginnen die Anmeldefristen.

Sekundarschule oder Gymnasium?

Jan bewirbt sich mit einen Schnitt von 2,4. Seine Mutter fände eine Sekundarschule für ihn gut, weil er dort 13 Jahre bis zum Abitur hat und kein Probejahr. Aber die einzige Sekundarschule in der Nähe mit gymnasialer Oberstufe ist so überlaufen, dass Jan mit Sicherheit im Lostopf landen würde. Das Risiko ist zu groß.

Also ein Gymnasium. Soll er das besonders nachgefragte nehmen, das seine Freunde besuchen wollen? Es hat einen großen Neubau bekommen. Aber diese Bewerbung wäre ebenfalls riskant, weil die Freunde einen besseren Schnitt haben, und er dann vielleicht als Einziger rausfiele. Außerdem hat die andere Schule dieses schöne Ökologiehaus mit der Nager- und der Bienen-AG. Und dann wäre da noch das Gymnasium mit der etwas prekären Sozialmischung. Für diese Schule spricht, dass sie eine Tablet-PC–Klasse bietet. Und außerdem wäre er da auf der sicheren Seite, weil er mit 2,4 ziemlich sicher drin wäre.

Für Dana* kommt ein Gymnasium gar nicht infrage, weil sie zu Hause keine Unterstützung bekommt und ihr das Lernen nicht leicht fällt. Sie sucht eine Sekundarschule, in der sie individuell gefördert wird. Auch sie hat etliche Schulen angeguckt und muss jetzt entscheiden, in welcher ihr die Atmosphäre am besten gefällt und wo sie am ehesten auf eine gute Förderung hoffen kann. Die räumliche Nähe ist ihr auch wichtig. Falls sie nach der zehnten Klasse doch das Abitur anpeilen will, kann sie auf ein Oberstufenzentrum wechseln. „Daran denke ich jetzt noch gar nicht. Ich will einfach nur, dass meine Mitschüler nett sind, dass es keine Gewalt gibt und dass ich dort einen guten Mittleren Schulabschluss schaffe“, formuliert Dana ihre wichtigsten Ziele.

Mit oder ohne Strategie?

Jan und Dana müssen sich jetzt für drei Wunschschulen entscheiden, die sie in ihren Anmeldebögen eintragen. Alle Schulen, die bei Dana in der engeren Wahl sind, hatten in den Vorjahren weniger Anmeldungen als Plätze. Wenn sich daran nichts ändert, ist sie auf der sicheren Seite. Ganz anders bei Jan. Er muss wohl eine Strategie entwickeln. Das kann bedeuten, dass er als Erstwunsch eine Schulen angibt, bei der er mit seinem Schnitt eine realistische Chance hat, auch ohne Losverfahren aufgenommen zu werden. Sie darf also nicht zu nachgefragt sein. Er kann aber auch anders vorgehen, indem er als Erstwunsch seinen Top-Favoriten angibt. Dafür müsste er aber als Zweit- oder Drittwunsch eine Schule wählen, die auf keinen Fall überlaufen ist, damit er dort sicher einen Platz findet, falls er beim Erstwunsch kein Losglück hat.

Aber auch Jan kann es machen wie Dana und einfach seine drei Lieblingsschulen angeben. Falls er tatsächlich überall scheitert, könnte er eines der vielen Gymnasien wählen, die weniger Anmeldungen als Plätze haben. Und davon gibt es eine ganze Menge; jedenfalls in seinem Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.

Die Schulleiter können einem die Wahl nur etwas erleichtern. Auskünfte darüber, welcher Schnitt im Jahr zuvor reichte, um ohne Losverfahren aufgenommen zu werden, sollen die Schulen möglichst nicht geben. Denn die Nachfrage schwankt von Jahr zu Jahr und damit auch der nötige Schnitt. Deshalb dürfen die Schulen auch niemanden abweisen, der sich bewerben will. Sie können den Familien aber sagen, wie viele Bewerbungen aktuell eingegangen sind und wie viele Plätze insgesamt zur Verfügung stehen, heißt es im jüngsten Infoschreiben der Bildungsverwaltung an alle Schulen.

Und was ändert sich?

Wer ein älteres Kind bereits auf einer weiterführenden Schule hat, mit der er zufrieden ist, kann aufatmen: Er kann die Geschwister auf der gleichen Schule unterbringen. „Die Geschwisterkinderregelung gilt bereits für das kommende Aufnahmeverfahren zum Schuljahr 2014/2015“, bestätigt die Bildungsverwaltung. Anders verhält es sich mit dem Vorhaben, schwachen Schülern den Zugang zum Gymnasium zumindest etwas zu erschweren, indem man sie zu einem Beratungsgespräch verpflichtet: Da die erforderlichen Rechtsgrundlagen erst nach dem Anmeldezeitraum vorliegen werden, „ist dieses Beratungsgespräch erst ab 2015/2016 verbindlich“, stellt Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) klar. Sie empfiehlt den Eltern dennoch, die Gelegenheit zur Beratung zu nutzen, die viele Gymnasien ohnehin schon seit Jahren anbieten.

Wie ist es mit dem Losverfahren bisher gelaufen?

Nach der anfänglichen Aufregung über das seit 2011 gültige Übergangsverfahren mit der Verlosung von einem Drittel der Plätze bei Übernachfrage hat sich die Lage längst beruhigt. Denn es zeigte sich, dass trotz dieses Losverfahrens fast alle Schüler an einer ihrer drei Wunschschulen landen. Zuletzt waren es laut Senatsverwaltung für Bildung 96,7 Prozent der Siebtklässler. Die mitunter noch zu hörende Behauptung, dass das alte Verfahren besser war, lässt sich daher kaum halten: Da bis 2010 die Plätze an nachgefragten Schulen letztlich nach der Wohnortnähe vergeben wurden, zogen die Bezirksämter stets die BVG-Verbindung heran. Dies aber führte zu einer Unzahl von Mogeleien mit falschen Adressen, die von den Bezirken wiederum mit sehr unterschiedlicher Intensität verfolgt wurden. Eltern konnten bis zuletzt nicht wissen, ob sie "nahe genug dran" wohnen, denn mitunter scheiterten Bewerber, obwohl sie nahe der Schule wohnten, weil sich etliche Familien zum Schein in Nachbarhäusern der Schule angemeldet hatten.

*Name von der Redaktion geändert.

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