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Angebote des Türkischen Konsulats sind in etlichen Bundesländern noch immer willkommen.

© imago/Seeliger

Berliner Konsulatsunterricht: Türkei wehrt sich gegen Vorwürfe

Botschaftsrat sieht „keine religiösen und nationalistischen Inhalte“ im Konsulatsunterricht. Die Kultusminister sind alarmiert, haben aber zu wenig eigene Lehrer.

Jahrzehntelang fand er ohne große öffentliche Wahrnehmung statt, aber damit ist es jetzt vorbei: Der türkische Konsulatsunterricht ist zurück auf der politischen Agenda, seitdem die Negativ- Nachrichten aus Ankara nicht abreißen. Sichtbarstes Zeichen: Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Susanne Eisenmann (CDU), hat das Thema auf die Tagesordnung der KMK–Sitzung am 12. Oktober gesetzt.

In neuen Bundesländern unterrichten die Konsulatslehrer

Dabei dürfte von höchstem Interesse sein, was die Berliner Bildungsverwaltung herausgefunden hat: „Deutlich nationalistische und deutlich religiöse Inhalte“ seien im türkischen Rahmenplan vorhanden. Dies hatte, wie berichtet, Bildungs-Staatssekretär Mark Rackles (SPD) dem Bildungsausschuss mitgeteilt. Von derartigen Inhalten ist in den anderen Bundesländern, die Konsulatsunterricht anbieten – Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hamburg, Niedersachsen, Saarland, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz – bislang nichts zu hören, obwohl dort nach dem gleichen Rahmenplan unterrichtet wird, wie Botschaftsrat Cemal Yildiz dem Tagesspiegel mitteilte. Allerdings bestreitet Yildiz vehement Rackles’ Darstellung: „Nach unserer Auffassung enthält der Lehrplan keine religiösen und nationalistischen Inhalte“, sagte Yildiz auf Anfrage.

"Eine destruktive Debatte"

Yildiz berichtete, dass Rackles ihm gegenüber eine Liste von Themen genannt habe, die die Bildungsverwaltung „in Anbetracht der angespannten politischen Situation kritisch betrachten würde“. Diese Kritik habe man „angesichts der sensiblen Situation weitestgehend berücksichtigt“ und den überarbeiteten Jahresplan am 18. September zugeschickt. Als eine Rückmeldung ausblieb, sei er davon ausgegangen, „dass auch die Bildungsverwaltung damit zufrieden ist“. Dass Rackles sich drei Tage später im Schulausschuss so geäußert haben solle und „so eine destruktive Debatte geführt wird, ist nicht nachvollziehbar“, findet der Botschaftsrat – zumal sich die Lehrinhalte in den vergangenen 17 Jahren „nicht wesentlich geändert haben“. Der Bitte des Tagesspiegels, den Text des Lehrplans zur Verfügung zu stellen, kamen allerdings weder Yildiz noch die Bildungsverwaltung am Montag nach.

Erdogan ließ zehntausende Lehrer suspendieren

Ob Yildiz damit Gehör findet, bleibt abzuwarten. Die Bundesländer und prominente Politiker sind alarmiert, weil Ankara nach dem gescheiterten Putschversuch zwischenzeitlich zehntausende staatliche Lehrer suspendieren ließ, die angeblich nicht regimetreu waren. Daher ist davon auszugehen, dass zum Konsulatsunterricht nur Lehrer entsandt werden, die sich vollkommen auf Staatslinie befinden. Zwar sind zurzeit mehrheitlich noch jene türkischen Lehrer in Deutschland, die vor dem Putschversuch ausgewählt wurden. Allerdings werden sie alle fünf Jahre ausgetauscht, womit absehbar ist, dass mittelfristig vor allem Getreue des türkischen Machthabers Erdogan in deutschen Klassenzimmern stehen werden.

24.500 Konsulatsschüler - allein in Baden-Württemberg

KMK-Präsidentin Eisenmann ist davon insofern am stärksten betroffen, als sie Kultusministerin in dem Bundesland mit den meisten türkischen Konsulatsschülern ist: In Baden-Württemberg waren zuletzt rund 24.500 Teilnehmer gemeldet.

In Berlin nehmen mindestens 2300 Schüler am Konsulatsunterricht teil: Hier ist die Botschaft zusätzlich in Bedrängnis geraten, weil einige Bezirke jetzt Miete für die Nutzung der Schulräume fordern.

In Hamburg berät heute die Bürgerschaft

Auch in Hamburg tut sich was: Der Schulausschuss der Bürgerschaft beschäftigt sich auf FDP-Antrag an diesem Dienstag mit dem Thema. Sie fordert, den Konsulatsunterricht „unverzüglich unter staatliche Kontrolle zu stellen“. Zur Begründung zitieren die Liberalen den Berliner Schulpsychologen Ali Uçar, der im Tagesspiegel gewarnt hatte, dass „der Konsulatsunterricht alles konterkariert, was die Schulen machen“.

Aber die Länder sind kaum handlungsfähig: Sie würden wegen Erdogan zwar lieber eigene muttersprachliche Angebote unterbreiten, haben aber versäumt, eigene Türkischlehrer auszubilden.

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