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Bildung: Immer mehr Grundschüler bleiben sitzen

Die Zahl der Wiederholer hat sich bei den Drittklässlern in zwei Jahren verdoppelt. Die Kritik an jahrgangsübergreifendem Lernen nimmt zu.

Berlin gibt in diesem Jahr allein für Sitzenbleiber knapp 40 Millionen Euro aus. Dies geht aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Özcan Mutlu (Grüne) hervor. Mutlu hatte von der Bildungsverwaltung wissen wollen, wie sich die Sitzenbleiberzahlen in Berlin verändern, seitdem die Schulen zu einer gezielten Förderung versetzungsgefährdeter Schüler verpflichtet sind. Laut der Antwort von Bildungs-Staatssekretärin Claudia Zinke (SPD) wiederholen in diesem Jahr 6740 Schüler eine Klasse. Die Zahl der Wiederholer ist zwar gegenüber dem Schuljahr 2007/08 mit knapp 7600 Sitzenbleibern insgesamt rückläufig, bei den Drittklässlern hat sie sich aber seit zwei Jahren verdoppelt. Mutlu wertet dies als Hinweis darauf, dass das Jahrgangsübergreifende Lernen (Jül) Probleme macht. Überdies wurde am Mittwoch bekannt, dass sich die Bildungsstadträte am Freitag mit Staatssekretärin Zinke über die künftigen Auswahlkriterien an übernachgefragten Schulen und über die berlinweite Verteilung abgewiesener Bewerber einigen wollen.

Das Sitzenbleiben ist teuer fürs Land: Da ein Berliner Schüler pro Jahr etwa 5800 Euro kostet, ergibt sich rein rechnerisch ein Betrag von fast 40 Millionen Euro. Auffällig ist die Zunahme der Sitzenbleiber bei den Drittklässlern: Aus 230 Schülern vor zwei Jahren sind inzwischen 518 geworden. Diese Entwicklung ist auch deshalb alarmierend, weil schon in der Schulanfangsphase – in den Klassen 1 und 2 – viele Kinder ein Jahr länger bleiben als vorgesehen: 2009 betraf dies sogar jedes sechste Kind – insgesamt 4300 Schüler. Mutlu teilt die Sorge vieler Eltern, dass beim Jahrgangsübergreifenden Lernen viele Kinder nicht genügend gefördert werden. So blieben viele Zweitklässler im Verbund mit Schulanfängern hinter ihren Möglichkeiten zurück. Auch werde zu wenig in die Fortbildung der Jül-Lehrer investiert, kritisierte Ute Schröder vom GEW-Schulleiterverband. Die Bildungsverwaltung will jetzt bei Schulbesuchen klären, wo die Probleme liegen.

Nicht die Grundschulen, sondern die Sekundarschulen und Gymnasien stehen am Freitag im Mittelpunkt der Stadträtekonferenz mit Staatssekretärin Zinke. Zwei heikle Fragen sind zu klären. Zum einen muss entschieden werden, wie dieses Jahr die vielen überzähligen Bewerber von stark nachgefragten Schulen verteilt werden. Bislang wurde dies auf regionaler Ebene geregelt, diesmal dürfte es schwieriger werden, weil es an den Gymnasien und einigen Sekundarschulen mehr Anmeldungen gab als bisher üblich. Hier müssen gerichtsfeste Vorgaben her, die weit über 1000 Schüler betreffen.

Gerichtsfest müssen auch die Kriterien sein, nach denen vom Schuljahr 2011/12 an nachgefragte Schulen ihre Schüler auswählen. Eine Arbeitsgruppe hat dazu Vorschläge erarbeitet, die es jetzt abzustimmen gilt. Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) deutete bereits an, dass Schulen künftig die Möglichkeit erhalten sollen, Schüler nach ihren Noten auszuwählen. Je nach Schulprofil muss nicht unbedingt der gesamte Notendurchschnitt zählen, es kann auch um die Leistung in bestimmten Fächern wie Musik oder Mathematik gehen. Der Bildungsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann (SPD), und auch Ralf Treptow vom Verband der Oberstudiendirektoren begrüßten die Aussicht auf gerichtsfeste Kriterien, die den Besonderheiten der Schulen gerecht werden. Die Schulen sollen künftig bis zu 70 Prozent ihrer Schüler selbst auswählen können. Über die restlichen Plätze soll das Los entscheiden.

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