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Bildung: Weddinger Schule sucht Weg aus der Ghetto-Falle

Angebote für bildungsbewusste Eltern soll die soziale Mischung an der Gustav-Falke-Schule verändern: Im kommenden Jahr wird es eine Klasse für Kinder mit gutem Deutsch geben. Klaus Wowereit wirbt bereits für das Projekt.

Die meisten Eltern wollen eine gute Schule für ihre Kinder. Bildungsorientierte Väter und Mütter ziehen oft aus Kiezen wie Nord-Neukölln, Wedding oder Kreuzberg weg, sobald die Kleinen eingeschult werden. Sie fürchten sich davor, ihre Kinder in Klassen mit hauptsächlich Einwandererkindern zu schicken, die schlechtes Deutsch sprechen und die Klasse auf ein niedriges Leistungsniveau herabziehen. Die Gustav-Falke-Grundschule in Wedding will das jetzt mit einem sensationellen Projekt ändern.

Die Schule in der Strelitzer Straße liegt 80 Meter westlich der Brunnenstraße und hat einen Anteil von Einwandererkindern von 90 Prozent. Östlich der Brunnenstraße, einen Steinwurf entfernt, wohnen fast nur „biodeutsche“ Eltern, die alles tun, um ihre Kinder nicht in die Schulen auf der anderen Straßenseite schicken zu müssen. Um diese Eltern anzulocken und eine bessere Mischung der Falke-Schule zu erreichen, machen ihnen Rektorin und Lehrer jetzt besondere Angebote.

Für die neue Klasse mit Erstklässlern, die zum Schuljahr 2010/11 eingeschult werden, sollen hohe Sprachstandards gelten. So werden nur die Kinder aufgenommen, die beim „Bärenstark“-Test 90 Prozent der Aufgaben richtig gelöst haben. „Das ist eine hohe Latte“, sagt Eduard Heußen, „aber für Fünfjährige, die gut Deutsch sprechen, ist das kein Problem.“

Heußen ist Koordinator des von dem Wohnungsunternehmen Degewo initiierten Bildungsverbundes Brunnenviertel. Er hat das Konzept für die neue Klasse mit Bildungsstadträtin Dagmar Hänisch (SPD), der Schule und Eltern entwickelt. Zu dem Konzept gehört, dass Englisch ab Klasse 1 unterrichtet und ein naturwissenschaftlicher Schwerpunkt eingerichtet wird. Das Oberstufenzentrum Lise Meitner für Chemie, Physik und Biologie soll dabei helfen. „Schon in der ersten Klasse wollen wir mit Experimenten beginnen“, sagt Lehrerin Regina Hoppe. Sie hat kürzlich mit den Viertklässlern den Umweltschutzpreis „Berliner Klima Schulen“ gewonnen und will mit den Drittklässlern künftig kleine Solaranlagen bauen.

Auch dass nur maximal 24 Schüler in die neue Klasse gehen sollen, freut Eltern bestimmt. In den stark nachgefragten Schulen in Altmitte sind es bis zu 32. Die Falke-Schule ist eine gebundene Ganztagsschule, in der sich Unterricht und Freizeiteinheiten bis 16 Uhr abwechseln. In der Mensa soll es künftig nur noch Biokost geben. Und noch etwas: Die Eltern werden ausdrücklich zur Mitarbeit aufgefordert. Sie sollen gemeinsam mit Lehrern und der Schulleitung ihre Wünsche realisieren können.

„Wenn wir nichts machen, geht die Segregation in der Stadt weiter“, sagt Heußen, der früher Senatssprecher war. „Dann verlieren wir ganze Generationen.“ Das neue Projekt soll dem entgegenwirken und die soziale Mischung im Kiez anregen. „Das Angebot ist ein echtes Argument für die Schule“, sagt eine Mutter, die ihren Sohn nächstes Jahr eigentlich in einer der begehrten Grundschulen in Altmitte einschulen wollte, ihn nun aber in der Strelitzer Straße anmelden will. Das Konzept hat sie und ein Dutzend weiterer Eltern so überzeugt, dass sie nun zusammen mit den Lehrern in den umliegenden Kitas Werbung dafür machen.

„Ich begrüße diese zukunftsweisende Initiative ausdrücklich und wünsche ihr allen Erfolg“, schrieb der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) der Rektorin im August. Es brauche mutige Initiativen wie die der Falke-Grundschule, mit der Einrichtung einer Modellklasse ein Angebot zu schaffen, das Kindern und Eltern deutscher Herkunft wie auch denen mit Zuwanderungshintergrund eine Perspektive gibt.

Die Modellklasse soll keine „Eliteklasse“ sein, sagt Heußen. „Wir wollen allen Kindern die Welt so zeigen, wie sie wirklich ist.“ Natürlich seien auch Einwandererkinder erwünscht, es werde nicht nach Ethnie ausgewählt, sondern nach Sprachkompetenz. Von Anfang an soll es auch gemeinsame Projekte mit den anderen Klassen geben. Aber das umstrittene jahrgangsübergreifende Lernen (Jül) will man erst den Zweitklässlern zumuten. Und auch daran ist gedacht: Obwohl die Falke-Schule westlich der Brunnenstraße für Eltern östlich der Brunnenstraße in einem anderen Einzugsbereich als dem vorgegebenen liegt, kann man sich dort anmelden. Die Schule hat beim Bezirk und der Bildungsverwaltung eine Sondergenehmigung erwirkt und kümmert sich um die Formalitäten.

Auch die Spreewald-Grundschule in Schöneberg hat vor sieben Jahren gezielt bildungsbewusste deutsche Eltern an ihre Schule gelockt. Die Schule stand im Ruf, ein schlechtes Niveau und gewaltbereite Schüler aus Einwandererfamilien zu haben. Der Schulleiter versprach den neuen Eltern, dass ihre Kinder in eine Klasse kommen, in der mindestens die Hälfte der Kinder Deutsch als Muttersprache spricht. Das wirkte. Sechs Jahre später sind zwei von drei Klassen gemischt. „Die Eltern müssen intensiv einbezogen werden“, sagt Erhard Laube, der das Projekt als damaliger Schulleiter angestoßen hat. Es funktioniere auch nur so lang, wie man sich strikt an die Zusage hält, die man den Eltern macht.

Am  Dienstag, 18 Uhr, informieren Lehrer und Elternvertreter über die Pläne, Falke-Schule, Strelitzer Str. 42

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