zum Hauptinhalt
Meditativ. Buddhismus-Lehrerin Renate Noack und ihre Schüler.

© Luisa Jacobs

Buddhismus in der Schule: Berliner Schüler meditieren im Unterrricht

An einer Charlottenburger Schule gibt es fernöstlichen Religionsunterricht – eine Berliner Einmaligkeit. Zu Beginn der Stunde wird erst einmal richtig geatmet. Unsere Autorin war dabei.

Religionsunterricht sieht an der Schinkel-Grundschule in Charlottenburg manchmal so aus: Sabrina, Ahmed und acht weitere Kinder sitzen im Schneidersitz auf blauen Matten. Die Schuhe haben sie am Eingang abgestellt. Das Licht ist ausgeschaltet und in der Mitte brennen ein Teelicht und Räucherstäbchen. Links und rechts davon blicken sich zwei kleine Buddha-Figuren in die Augen.

Das ist nicht irgendein Religionsunterricht, sondern ein buddhistischer – und zwar der einzige in Berlin. Zu Beginn jeder Stunde meditiert Lehrerin Renate Noack mit den Grundschülern. Beim Ein- und Ausatmen sollen die Kinder bis fünf zählen oder den Namen „Buddha“ vor sich her sagen. Es passiere schon mal, dass die Kinder stattdessen bis 100 durchzählen. „Aber das ist eine Sache der Übung“, sagt Noack.

Konzentrationsübungen, wie auch das Ausmalen von Mandalas (geometrische Schaubilder) sind ein wichtiger Bestandteil der buddhistischen Lehre. „Die Übungen sind kein Mal- oder Zählwettbewerb“, sagt die 66-jährige Lehrerin. „Sie sollen den Schülern helfen, sich besser zu konzentrieren.“

Den Kindern gefällt es. „Manchmal meditiere ich jetzt sogar zuhause", sagt die neunjährige Sabrina. „Ich mache das Licht aus, setze mich aufs Bett und atme.“ Das Meditieren helfe ihr, wenn sie sauer auf Eltern oder Freunde sei.

Nach der Meditation wird das Licht im Klassenzimmer wieder angeknipst. Die Zweit- bis Viert-Klässler lümmeln auf den Matratzen oder sitzen auf dem Boden. Sie lesen sich aus dem Comic-Buch „Das Leben des Buddha“ vor. Es zeigt den Weg des jungen Prinzen Siddartha zum Buddha.

"Ich arbeite vor allem mit niederländischen Übersetzungen"

Die meisten kindgerechten Darstellungen der Buddha-Lehre kommen aus Asien. In Deutschland sieht Noack noch großen Bedarf. „Ich arbeite vor allem mit niederländischen Übersetzungen“, sagt die pensionierte Gymnasiallehrerin für Deutsch und Philosophie. „Aber die sind teilweise ganz schön dürftig.“

Den Rest der Stunde machen die Schüler das, was als „stille Freiarbeit“ bekannt ist. Einige malen Mandalas aus, andere spielen Memory oder lesen. Der buddhistische Unterricht findet nachmittags statt und ist für viele, zum Beispiel für Kinder, die den Nachmittag sonst im Hort verbringen würden, eine Ergänzung. Es soll Spaß und vor allem keinen zusätzlichen Stress machen. Die Freundinnen Siri, Nike und Enya, alle in der dritten Klasse, kommen gerne zum buddhistischen Unterricht – nicht weil die Eltern es von ihnen verlangen oder weil sie gläubig seien. „Oft ist es die einzige Zeit zum Entspannen an der Schule“, sagt Nike.

Die meisten Schüler besuchen neben dem buddhistischen auch noch muslimischen oder christlichen Unterricht. Im Buddhismus sei die Toleranz anderer Glaubensrichtungen oberstes Gebot, sagt Noack. Sie selbst wurde Ende der 1970er Jahre von einem japanischen Professor zur Meditation gebracht. Unzufrieden mit den Studien der westlichen Philosophie begann sie, sich mit dem Buddhismus auseinanderzusetzen.

In Berlin ist die Teilnahme am Religions- und Weltanschauungsunterricht freiwillig. Grundsätzlich dürfen alle religiösen Gemeinschaften einen Religionsunterricht anbieten – auch die buddhistische Gesellschaft. Ob der Unterricht aber finanziell gefördert wird, entscheidet der Senat jedes Jahr neu. Im Oktober müssen mindestens 15 Anmeldungen vorliegen, damit das Land 90 Prozent der Kosten für den Unterricht übernimmt.

Doch die Mitgliederzahlen alleine reichen nicht: Die Lehrkraft, die den buddhistischen Unterricht halten soll, muss das zweite Staatsexamen in einem relevanten Fach absolviert haben. Gerade im Buddhismus ist das schwierig, da Buddhologie in Deutschland kein Examensfach ist. „Ich mache mir jetzt schon Sorgen um meine Nachfolge“, sagt Renate Noack. „Aus unserer Sicht müssen die Lehrer ja auch in der buddhistischen Lehre gefestigt sein.“ Da gebe es nur wenige, auf die alles zutreffe.

Am Ende der Stunde verteilt sie Glückskekse, wie man sie aus chinesischen Restaurants kennt. „Letztlich ist der Buddhismus eine Philosophie zum Glücklichwerden, da passen die Glückskekse doch gut“, sagt die Lehrerin. Den Kindern jedenfalls schmeckt’s.

Luisa Jacobs

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false