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Bürgerjournalismus: Augenzeugen statt Reporter

Am "Tag der Talente" des Bundesbildungsministeriums hat Tagesspiegel.de Schüler gebeten, einen Kommentar über Journalismus im Internet zu schreiben. Was Maximilian Mühlens zum Thema Bürgerjournalismus meint, lesen Sie hier.

Journalist kann sich jeder nennen – also auch ich, der eigentlich Käse im Supermarkt verkauft. Ich erlebe meine Umwelt ja genauso wie ein Journalist, kann genauso über Erlebnisse schreiben und vielleicht sogar noch ein schönes Foto mit meinem Handy machen. Das Ganze schicke ich ganz einfach an eines der vielen Angebote etablierter Medien.

Am nächsten Tag schlage ich die Zeitung auf, mein Foto springt mir sofort entgegen, Kollegen und Freunde rufen mich an, wollen wissen, ob ich das Foto wirklich gemacht und live miterlebt habe, wie die 39-jährige Frau kunstvoll mit ihrem Porsche Cayenne ausparkte und in den benachbarten Teich rutschte. Es war eine wirklich lustige Situation – auf jeden Fall eine Story für die Zeitung.

Herzlich Willkommen beim Bürgerjournalismus! Jede Begebenheit, ob nun die Bundeskanzlerin in der Nase bohrt oder eine Frau beim Ausparken einen Pfeiler rammt – für die neue Generation Journalisten ist alles wichtig und interessant. So kurios der Bürgerjournalismus auch sein kann, so verkörpert er die gelebte Demokratie. In Deutschland herrscht Meinungsfreiheit, jeder kann seine Meinung frei äußern – und auch publizieren. Allerdings muss man den Leserreportern auch ihre Grenzen aufzeigen.

Professionelle Journalisten beklagen sich über die vermeintliche Konkurrenz – aber spielen die Leserreporter in derselben Liga wie die Profi-Schreiber? Das was die Leserreporter machen, kann man nicht als klassischen Journalismus bezeichnen. Vor allem die Qualität der eingesandten Beiträge lässt zu wünschen übrig. Wer kann garantieren, dass alle Angaben den Tatsachen entsprechen? Wer garantiert, dass es sich bei dem eingesandten Foto nicht um eine Manipulation handelt? Wer garantiert, dass der Pressekodex eingehalten wurde? Die Bürgerjournalisten sind nichts anderes als Augenzeugen.

Sie können den Profis Informationen liefern, Ihnen einen Tipp geben oder anhand eines Fotos bei der Klärung eines Sachverhaltes helfen. Aber nicht mehr. Dafür fehlt es ihnen am Handwerkszeug eines Journalisten. Sie gehen leichtfertig mit Informationen um, veröffentlichen sie ohne Prüfung und ohne darüber nachzudenken, welche Konsequenzen eine Falschmeldung haben kann. Schnelles Geld und kurzer Ruhm sind wohl die Hauptmotive, um Bürgerjournalist zu werden. Bürgerjournalismus ist nicht mehr als eine Spielerei – nur selten von hohem Wert.

Maximilian Mühlens

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