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Schule: Das sichere Auto gibt nach

Oder: Wie Forscher in Zukunft den Schutz von Fußgängern verbessern wollen

Montagmorgen, kurz vor acht. Der Autofahrer ist spät dran, das Kind auf dem Schulweg auch, und müde sind sie beide. Plötzlich rennt es ohne einen Blick nach links und rechts über die Straße und – das Auto stoppt ganz von selbst, weil es all das kommen sah.

So stellt sich der Berliner Unfallforscher Volker Schindler den Straßenverkehr von übermorgen vor. Schindler ist Professor an der Technischen Universität und hat beim Bundesforschungsministerium gerade Geld für ein derartiges Projekt beantragt. Seine Vision klingt kühn, aber die Zutaten existieren bereits heute. Sie müssen nur noch richtig kombiniert und verfeinert werden.

Das Kind trägt einen Funksender in der Kleidung, wie er schon jetzt als Diebstahlsicherung in Kaufhäusern verwendet wird. Dieser Sender bekommt vom Schuh ein Signal, dass das Kind schnell läuft (die notwendige Technik ist in Form der blinkenden Joggingschuhe praktisch serienreif) und funkt diese Information in seine Umgebung. Dort empfängt sie das Auto, das die Laufrichtung des Kindes per Videosensor erfasst. Dank Navigationssystem weiß die Bordelektronik außerdem, dass auf der anderen Straßenseite eine Schule ist und ist wegen der kritischen Uhrzeit – kurz vor acht – zusätzlich gewarnt. Wenn jetzt also der Videosensor meldet, dass das Kind Richtung Straße rennt, steht das Auto, bevor der Fahrer überhaupt den Ernst der Lage erkannt hat.

Weil sich aber in Zukunft nicht alle Unfälle verhindern lassen werden, forschen Schindler und seine Kollegen auch daran, die Folgen zu lindern. Denkbar wäre, dass hohe Autos wie Geländewagen sich im Moment vor dem Unfall absenken. Technisch wäre das im Zeitalter aktiver Fahrwerke zu leisten, „und in einer Zehntelsekunde kann man schon noch eine Menge machen“, sagt Schindler. So würden kleinere Autos im stabileren unteren Bereich getroffen und Fußgänger oder Radler hätten eine Chance, mit Prellungen davon zu kommen.

Den Fußgängerschutz selbst neuester Autos hält auch der ADAC für problematisch. „Der Aufprall ist bei vielen Fahrzeugen zu hart“, sagt ADAC-Sicherheitsingenieur Hubert Paulus. „Da müssen die Hersteller noch viel tun.“ Entscheidend für den Fußgängerschutz sei ein Mindestabstand zwischen Motor und Aggregaten, damit Platz bleibt für eine Beule im Blech. „Bei Großraumlimousinen ist das konstruktionsbedingt am einfachsten“, sagt Paulus. Kleine, flachere Autos seien dagegen nur mit großem Aufwand – speziellen Materialien etwa – verträglicher zu bauen.

Fußgängerunfälle werden in einem standardisierten Test simuliert, „aber man hat in der EU erkannt, dass dieses Verfahren Schwächen hat“, sagt TU-Professor Schindler. Er hat eine Alternative entwickelt, die die unterschiedlichen Folgen für verschieden große Menschen berücksichtigt. Entscheidend über Leben und Tod sei die Wucht, mit der der Kopf auftrifft. Und der kann bei großen Menschen direkt auf den Frontscheibenrahmen knallen – mit fatalen Folgen. Abhilfe könnte ein Airbag nach außen bieten, dessen Prototyp bereits auf der Autoausstellung IAA gezeigt wurde. Aber Schindler ist skeptisch, ob das Kissen kommen wird: Wer zahlt etwa 1000 Euro für die Reparatur, wenn der Airbag aufgegangen ist, weil die Sensoren einen Fußgänger mit einer Mülltonne verwechselt haben? Außerdem macht jede Sicherheitstechnik das Auto teurer.

Auf der anderen Seite steht neben dem menschlichen Leid der volkswirtschaftliche Schaden durch Verkehrsopfer. „Die Betrachtung ist ein bisschen kaltherzig-technokratisch“, sagt Schindler, aber sie müsse in die Erwägung neuer Vorschriften mit einbezogen werden. Er habe diese Rechnung einmal für eine Motorhaube gemacht, die sich beim Unfall aufrichtet, um Fußgänger abzufangen: Bei großen Autos wären Kosten und wirtschaftlicher Nutzen ausgeglichen, bei Autos mit kurzen Motorhauben nicht. Eine Empfehlung zum Fußgängerschutz künftiger Autos bedeutet das aber nicht. Denn Sicherheit ist eben nicht nur Geld wert.

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