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Schulleiter Stefan Marien (2. v. r.) mit Schülern im Open Learning Cente der Elinor-Ostrom-Schule.

© David Heerde

Deutscher Schulpreis: Ein Oberstufenzentrum in Pankow ist Berlins beste Schule

Die Elinor-Ostrom-Schule ist für den Deutschen Schulpreis nominiert –  als einzige aus Berlin. Was das OSZ in Pankow so besonders macht? Für Schüler mit niedrigen Abschlüssen ist noch bis zum Abi alles drin.

Eigentlich wollte er gar nicht Lehrer werden, erzählt Stefan Marien, weil er vom traditionellen Schulbetrieb desillusioniert gewesen sei. Er hat sich dann doch noch für den Job entschieden, und jetzt ist seine Schule, die Elinor-Ostrom-Schule in Pankow, als einzige Berliner Schule für den Deutschen Schulpreis nominiert. An diesem Freitag ist die Preisverleihung.

Die Elinor-Ostrom-Schule ist eine berufliche Schule, ein Oberstufenzentrum für Bürowirtschaft und Dienstleistungen – und eine solche gab es bisher noch nicht unter den Hauptpreisträgern. An das OSZ kommen viele Jugendliche, für die die Schule schon die zweite Chance ist, weil sie auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Lehrstelle gefunden haben. Junge Mütter, darunter viele Alleinerziehende, gibt es, viele Schüler haben einen Migrationshintergrund. Über 1000 Schüler sind es momentan, sie kommen aus der ganzen Stadt.

Teamarbeit ist hier wichtig

Hier können sie Kaufmann oder -frau für Büromanagement oder für Sport und Fitness werden und gleichzeitig das Fachabitur ablegen. Oder einen Mittleren Schulabschluss machen. Die Wege und Möglichkeiten sind fast so vielfältig wie die Schülerschaft. Von Durchlässigkeit sprechen die Experten gern und meinen damit, dass auch für Schüler mit niedrigen Abschlüssen noch bis zum Abi alles drin ist, und dass man relativ leicht von einem Ausbildungsweg zum anderen wechseln kann, wenn man merkt, dass man unter- oder überfordert ist.

Die Absolventen sollen sich auf dem ersten Arbeitsmarkt bewähren – das ist das Ziel, und die Schule ist damit offenbar auf einem guten Weg. Seit Jahren führt das OSZ eine Verbleibstudie durch und forscht nach, was aus ihren Abgängern wird, nach acht Monaten und nach eineinhalb Jahren. 40 Prozent haben dann eine Stelle auf dem ersten Arbeitsmarkt gefunden, weitere 40 Prozent machen Abitur oder studieren, von den restlichen 20 Prozent haben sich einige selbstständig gemacht, andere sind ins Ausland gegangen. „Unsere Arbeitslosenquote liegt bei acht Prozent“, sagt der 47-jährige Marien, „das ist unter dem Berliner Durchschnitt.“ Der liegt bei 11 Prozent.

Teamstrukturen und ein neues Konzept

Auch Marien selbst hat zunächst eine Ausbildung gemacht. Nach dem Abitur in Neukölln lernte er Industriekaufmann. Dann ging er an die Uni, studierte Wirtschaftspädagogik, arbeitete zwischendurch im Entwicklungsdienst in Chile, machte dann doch noch Referendariat. 1998 bot sich die Chance, an das neu eröffnete OSZ in Pankow zu wechseln. Was ihn anderswo störte, die Starrheit des Systems, habe man dort anders machen können. „Hier konnten wir gleich Teamstrukturen aufbauen und ein ganz neues Konzept erarbeiten.“ Ein paar Jahre später wurde er schon Schulleiter.

SAP, fächerübergreifender Unterricht: Was die Schule anders macht

Einmal im halben Jahr schaut er sich andere Schulen an. Das hypermoderne „Open Learning Center“ im dritten Stock des Schulgebäudes, ein offener, loungeartiger Lernraum mit neuesten Apple-Computern, hat er sich von einer Schule in Dänemark abgeguckt. Als Marien im letzten Sommer auf dem Jakobsweg wanderte, traf er die Entscheidung, die Bewerbung für den Schulpreis zu schreiben. Sehr gute Ergebnisse bei der Schulinspektion und die positive Rückmeldung der Schüler bei der jährlichen Fragebogenaktion „Schüler bewerten Lehrer“ hatten ihn dazu ermutigt.

Die Fächer heißen "Lim" und "Lam"

„Wir waren das erste OSZ im kaufmännischen Bereich, das die vollzeitschulische Ausbildung mit der Doppelqualifizierung Fachabitur angeboten hat“, sagt Marien und zählt weitere Besonderheiten auf. Die Schüler arbeiten mit der Unternehmenssoftware SAP, die in vielen Betrieben gängig ist, aber an Berufsschulen noch längst nicht Standard. Außerdem wird fächerübergreifend unterrichtet, auch das ist ungewöhnlich für berufliche Schulen. Statt Rechnungswesen und Buchhaltung heißen die Fächer „Lim“ und „Lam“ – Lernen im Modellbetrieb und Lernen am Modellbetrieb.

Schulleiter Stefan Marien (2. v. r.) mit Schülern im Open Learning Cente der Elinor-Ostrom-Schule.
Schulleiter Stefan Marien (2. v. r.) mit Schülern im Open Learning Cente der Elinor-Ostrom-Schule.

© David Heerde

Henrik, 21, und Ikram, 18, lernen gerade im Modellbetrieb. Dabei sitzen sie vor Computern in einem Klassenraum, der Lernbüro genannt wird. Bärio GmbH heißt ihr Betrieb, den es nur in der Schulwirklichkeit gibt. Es ist ein Handel für Bürobedarf, und sie leiten eine Filiale. Jetzt sollen sie herausfinden, ab welcher Stückzahl der Verkauf von Druckerpatronen Gewinn macht, die 24-jährige Anna macht derweil eine Inventarliste. „Das macht Spaß“, sagt sie. Sie kam aus einer anderen Stadt und will in Berlin noch mal neu anfangen, Fachabi machen und später am liebsten Eventmanagement studieren.

Sechs Punkte bis zum Sieg

In einem anderen Klassenzimmer lernen Vivien, Rabia, Erika und Josip am Modellbetrieb – also die Theorie zur Praxis. Was war noch mal Skonto? Wie geht das mit der Buchung? Jeder Schüler setzt sich eigene Wochenziele, sagt der Lehrerin, was noch mal vertieft werden muss. Die Lehrerin, Katrin Grimm, setzt sich dann mit den Schülern zusammen. Jetzt ist sie gerade bei Josip. „Um den Rabatt zu berechnen, braucht man Prozentrechnung. Wissen Sie noch, wie das geht?“, fragt sie und lässt sich dann den Dreisatz aufschreiben.

In sechs Punkten muss eine Schule die Jury der Robert-Bosch-Stiftung für den Schulpreis überzeugen: Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung, Schulklima und Schulleben, Schule als lernende Institution. Zu jedem dieser Punkte fiel Marien und seinen Kollegen eine Menge ein. Ob es gereicht hat, werden sie am Freitag sehen.

DIE AUSZEICHNUNG

Der deutsche Schulpreis, der seit 2006 jährlich von der Robert-Bosch-Stiftung und der Heidehof-Stiftung vergeben wird, gilt als die wichtigste Auszeichnung für Schulen in Deutschland. Er wird dieses Jahr am 6. Juni verliehen. Der Festakt findet in der Kreuzberger Heilig-Kreuz-Kirche statt. Außenminister Frank-Walter Steinmeier verleiht den Hauptpreis. Nominiert sind 15 Schulen aus dem ganzen Bundesgebiet, die aus insgesamt 116 Schulen ausgewählt wurden. Der Hauptpreis ist mit 100 000 Euro dotiert, fünf weitere Schulen erhalten Preise in Höhe von jeweils 25 000 Euro.

DIE KRITERIEN

Die Schulen müssen die Jury in sechs Qualitätsbereichen überzeigen: Leistung, Umgang mit Vielfalt, Unterrichtsqualität, Verantwortung, Schulleben und Schule als lernende Institution.

BERLINER TEILNEHMER

Eine Berliner Schule hat noch nie den Hauptpreis gewonnen. 2011 gewann die Heinz-Brandt-Schule aus Weißensee (damals noch Hauptschule, jetzt Sekundarschule) einen Preis über 25 000 Euro, 2008 war die Malchower Grundschule im Grünen unter den Gewinnern, und 2007 kam die Lichtenberger Carl-von-Linné-Schule, eine Förderschule für Körperbehinderte auf den vierten Platz. svo

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