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Schule: Die Alternative

Dacia? Lange verzogen Autofahrer bei der Renault-Tochter das Gesicht. Aber bei vielen bestimmt inzwischen der Preis den Geschmack. Und plötzlich findet man die Autos aus Rumänien gar nicht mehr so hässlich. Für 8400 Euro gibt es jetzt den ersten Kombi – den Logan MCV.

Es gibt Autos, da bleibt man neidbehaftet an der Kreuzung stehen oder drückt sich am Schaufenster die Nase platt. Und dann gibt es Autos, da denkt man nur: Wow … ist der hässlich. Dacias gehörten bis vor kurzem unzweifelhaft dazu. Mit dem Charme der Autos aus dem ehemaligen Ostblock – die in der DDR Karpatenschreck genannt wurden – konnte man selbst in Eckkneipen keine Schnitte mache. Das Argument „Er war aber spottbillig“ zog nur bedingt. Jeder hatte einen anderen Grund, dem zu widersprechen. Zu anfällig, zu klein, zu billig verarbeitet. Dacia? Das ist gerade in Westdeutschland die Marke, bei der Autofahrer lange das Gesicht verzogen.

Doch dann flog diese Einladung zur Neuwagenpräsentation ins Haus. Dacia hat ein neues Modell entwickelt. Es ist eine Kombivariante des Logan, der seit zwei Jahren erfolgreich am Image der rumänischen Tochter von Renault rumpoliert. Also auf nach Südeuropa, um den neuen Karpatenschreck zu begutachten.

Schon beim ersten Blick wird klar. Das wird kein Schreck für die Straße, das wird einer für die Konkurrenz. Das zweite Modell aus der Logan-Baureihe ist ebenso ein Preisbrecher wie die Limousine.

Obwohl das Billigauto anfangs von allen Seiten belächelt wurde, hat sich die Kompaktlimousine zum Bestseller gemausert. Mehr als 400 000 Mal rollt der Logan weltweit über die Straßen und macht damit Dacia zur Erfolgsmarke im Renault-Konzern. Die Franzosen können über sich selbst klagen und auch über die Absatzprobleme bei der Tochter Nissan. Aber gerade das rumänische Aschenputtel in der Familie ist zu einer sehenswerten Alternative für viele Käufer geworden. Vor allem für die, bei denen der Geldbeutel den Geschmack diktiert.

Der Dacia Logan MVC wird an diesen Erfolg anknüpfen, allerdings in einem anderen Segment. Er konkurriert mit geräumigen Familienautos wie dem Opel Zafira, Renault Grand Scenic, Honda FR-V oder Mazda 5. Doch zu einem Preis, der weit unter dem der Konkurrenten liegt. Der Dacia Logan MCV bietet für die Käufer dieser Autos einen erstaunlich kompakten Wagen mit üppigem Platzangebot, sieben Sitzen und einem durchaus ansprechenden Fahrkomfort. Bei umgeklappter Mittelbank sowie herausgenommener Rückbank bringt er es auf ein Ladevolumen von bis zu 2350 Liter. Und das für einen erstaunlichen Preis: 8400 Euro für die Einstiegsvariante. Da ärgert man sich nicht mal, wenn die Holzbohlen oder der Sack Zement beim ein- und ausladen Spuren hinterlassen.

Gut, der Dacia Logan MCV ist nicht wirklich hübsch. Bei ihm stimmt es wohl, dass wahre Schönheit von innen kommt. Die knubbelige Kiste hütet ihren Schatz in der Karosserie. Also laufen wir nicht lange um das Auto rum, sondern öffnen gespannt die Türen. Auch nicht wirklich schön, aber geräumig. Die großen Glasflächen lassen viel Licht ins Innere. Die hinteren Seitenfenster lassen sich ausstellen, was im Sommer ideal ist. Für zusätzlichen Stauraum für kleinere Gegenstände bietet der MCV 54 Liter Stauraum verteilt in der Mittelkonsole, in den Türverkleidungen vorne und hinten, an den Rückenlehnen, eine Fach für Flaschen und je nach Version auch ein Fach unter dem Dach zum Verstauen von Kinderspielzeug. Selbst in den Heckflügeltüren kann man noch etwas verstauen. Insgesamt können mit voll besetzter zweiter und dritter Sitzreihe sieben Erwachsene bequem reisen.

Auch auf der Straße merkt man dem Auto seinen niedrigen Preis nur wenig an. Alle vier Motorvarianten fahren sich angenehm. Er ist kein Sprinter, aber so einen wollen die meisten Familien oder Handwerker, die sich ein solch preiswerten fahrbaren Untersatz kaufen, ohnehin nicht. Dafür sind die Spritpreise zu hoch. Am Berg mit sieben Personen oder auch auf der Überholspur fängt er etwas an zu schnaufen, aber man kommt an und fühlt sich dabei vor allem sicher. Er hat eine Drei-Sterne-Einstufung, ABS und Front- sowie Seitenairbags. Das ist das Machbare zwischen der notwendigen Sicherheit und den Wünschen der Kunden nach einem kleinen Preis, heißt es bei Dacia.

Auch wenn man die beiden Koffer hinter die dritte herausnehmbare Sitzreihe schiebt und die Türen zuschlägt, wird man in die Welt der Billigautos zurückgeholt. Es klingt ungedämpft nach viel Blech. Auch die Armaturen erinnern an einen Golf aus den siebziger Jahren. Aber der Preis muss irgendwo herkommen und das kommt bei abnehmendem Geldbeutel zunehmend an.

Vor allem in Indien, China, Südamerika, Süd- und Osteuropa dürfte daher dieser Wagen einen vorhersehbaren Erfolg haben. Das dürfte den Logan MCV zu einem echten Weltauto machen. Einige Fachleute halten es sogar für möglich, dass er in den USA ein Erfolg wird. Die große fast mittellose und bislang wenig mobile Mittelschicht könnte sich für diesen Neuwagen mit drei Jahren Garantie entscheiden statt für eine gebrauchte Rostlaube. Dafür gibt es aber bei Dacia derzeit aber noch keine Planung, ebenfalls auslassen will man den japanischen Markt.

Tatsächlich muss man selbst in Deutschland stärker suchen, um einen ordentlichen Gebrauchtwagen für 8400 Euro zu bekommen. Gestern nun lieferte Dacia zum ersten Mal die Kombivariante des Logan an die Händler aus. 6000 Modelle sollen in diesem Jahr hierzulande verkauft werden, über 3500 sind vor dem offiziellen Verkaufsstart am Freitag bereits bestellt worden. Ein beachtlicher Erfolg für ein Wagen, das keinesfalls als Kultauto gilt oder einer Marke angehört, bei der Dabeisein alles ist.

Mit MVC ist Dacia aber nicht am Ende seiner Entwicklung. Noch mehr Logan wird es schon zum Jahresende geben. Dann folgt ein Kastenwagen und bis 2009 soll die Logan-Baureihe noch mit einem Pick-up, Fließheckmodell und einer Van-Version auf insgesamt sechs Modelle anwachsen.

Ingo Wolff

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