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Schule: Die Super-Lehrer

Wie aus Studierenden gute Pädagogen werden

Was macht eine gute Lehrerin aus? Sie ist „Beziehungsarbeiterin“ genauso wie „Sinnstifterin“, „Sozialarbeiterin“ und „Entwicklungshelferin“ genauso wie „Kulturvermittlungsagentin“. In einer Zeit, da in Deutschland Hunderttausende von Kindern unter psychosozialen Problemen leiden, wandelt sich der Beruf. Die Erziehung gewinnt gegenüber dem Unterricht immer mehr Bedeutung.

So sieht es jedenfalls Ulrich Herrmann, Erziehungswissenschaftler an der Universität Tübingen. Herrmanns Beschreibung der Lage provozierte in der vergangenen Woche bei den „Reckahner Bildungsgesprächen“ seine Fachkollegen zu heftigem Widerspruch. Zur Debatte über die Frage „Welche Lehrer braucht das Land?“ eingeladen hatten die Interessenvertretung VdS Bildungsmedien e.V. gemeinsam mit der Humboldt-Universität, der Universität Potsdam und der TU Dresden.

Der ideale Lehrer ist für fast alles, am wenigsten aber für den eigentlichen Unterricht zuständig – aus Sicht von Heinz-Elmar Tenorth von der Humboldt-Universität ist Herrmanns Denkweise ein gutes Beispiel dafür, wie die Gesellschaft mit ihrem „Lehrerdiskurs“ einen „Stellvertreterkrieg“ führt. Um sich selbst zu entlasten, lade man den Lehrern die Verantwortung für sämtliche Probleme auf: Die Folgen einer verfehlten Einwanderungspolitik würden ebenso zur Aufgabe der Lehrer erklärt wie die hohe Arbeitslosigkeit oder Probleme der Sozialpolitik. „Das ist höchst bequem, denn der Adressat kann sich nicht wehren“, sagte Tenorth. Allerdings profitierten auch die Lehrer von dieser Überforderung. Weil ihre Aufgabe ja offenbar so bedeutsam sei, könnten sie ihre hohe Besoldung und ihr Beamtentum zum Tabu erklären.

In welchem Verhältnis soll das Unterrichten zum Erziehen stehen? Diese Frage beherrscht jede Diskussion über die Reform der Lehrerbildung. Die Lehramtsstudierenden beklagen häufig, dass sie während des Studiums nur spät und oberflächlich Kontakt in die Schule aufnehmen können. Gerade für „Praxis“ ist die Universität aber gar nicht da, davon ist Tenorth überzeugt: „Lehrer wird man nicht an der Universität, sondern im Beruf.“ Die Studierenden sollten die Chance nutzen, an der Universität über die Schule zu reflektieren und eine kritische Distanz zur Realität aufzubauen. „Mehr Praktika würden diese Chance nur verschenken“, sagte Tenorth.

Dagegen hält seine Kollegin Friederike Heinzel von der Uni Kassel es sehr wohl für möglich, bereits im Studium auch persönliche und kommunikative Kompetenzen zu fördern. In Kassel hätten sich Erziehungswissenschaftler, Psychologen und Soziologen – unter großen Anstrengungen – auf ein gemeinsames Programm festgelegt, das sich stark an den von den Kultusministern formulierten Kompetenzfeldern für Lehrer orientiere. Dazu gehörten auch intensive Praktika in der Schule, in denen die Studierenden Fallbeispiele erforschten.

An den meisten Unis würde die Ausbildung sich aber noch zu sehr darauf konzentrieren, Themen abzuarbeiten, anstatt berufliche Fähigkeiten einzuüben, sagte Ewald Terhart, Erziehungswissenschaftler in Münster. Wegen der Umstellung auf die Bachelor- und Masterabschlüsse seien die Universitäten jetzt aber gezwungen, ihre Studienordnungen zu durchforsten und stärker am späteren Berufsbild der Pädagogen zu orientieren.

Der Vorsitzende des konservativen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meidinger, vertrat die Ansicht, auch die beste Ausbildung werde keine guten Lehrer in die Schulen bringen, solange zu viele ungeeignete Persönlichkeiten in den Beruf strebten. Nur weil es keine sicheren diagnostischen Methoden gebe, um die Kandidaten zu testen, dürfe man die Frage des Zugangs nicht einfach ausblenden. Terhart hält hingegen wenig von Zwangstestungen. Stattdessen müsse die Zulassung zum Lehrerberuf schrittweise erfolgen und korrigierbar sein, bevor der Staat sich endgültig an einen Pädagogen binde.

Hamburg bemüht sich unterdessen, Berufsanfänger in den ersten zwei Jahren nach ihrem Referendariat mit einem Begleitprogramm zu unterstützen, wie Peter Daschner vom Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung berichtete. Im „bewertungsfreien Raum“ könnten sich die Junglehrer mit Mentoren treffen und Fallbeispiele diskutieren, auf Wunsch würden Coaching, Supervision und andere Fortbildungen für unterschiedliche Bedürfnisse angeboten.

Hamburg sehe in der neuen Begleitphase auch eine Chance, das Innovationspotenzial der jungen Lehrer für die Schule zu heben und sie vor sofortiger Vereinnahmung durch die erfahrenen Lehrer in der Schule zu schützen. Um einen „Fluss der Kompetenzen“ zu erreichen, muss in den ersten zehn Jahren jeder Lehrer einmal die Schule wechseln. „Wir wollen aus der stöhnenden eine atmende Schule machen“, sagte Daschner.

Dazu wird die Wissenschaft jedoch nur bedingt etwas beisteuern können, glaubt Heinz-Elmar Tenorth. Forschungsergebnisse förderten häufig nur triviale Erkenntnisse über die Schule zutage. Die Schule habe aber eine lange Tradition, aus der sich die „Weisheit ihrer Profession“ und ihre Kompetenz für den Alltag speise. Sie sei deshalb gut beraten, sich nicht schlechtreden zu lassen und den vielen Ratgebern selbstbewusst gegenüberzutreten.

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