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Dieses Transparent, das Schüler des Fichtenberg-Gymnasiums im Zusammenhang mit dem AfD-Meldeportal an den Eingang gehängt hatten, war im Dezember zerstört worden.

© Andreas Steiner

Ein Jahr AfD-Schulportal: „Die Lehrkräfte haben sich nicht einschüchtern lassen"

Vor einem Jahr startete die Partei die umstrittene Meldeplattform. Inzwischen hat sich die Debatte beruhigt – aber nicht überall.

Kreative Lehrer, widerständige Schüler: Das umstrittene Lehrermeldeportal der Berliner AfD-Fraktion hat sich nach Einschätzung der Berliner GEW als „ziemlich wirkungslos“ erwiesen. „Die Kolleginnen und Kollegen haben sich nicht einschüchtern lassen. Uns sind zumindest keine Fälle bekannt“, sagte GEW-Chef Tom Erdmann ein Jahr nach dem Start der Meldeplattform der Nachrichtenagentur dpa.

Die AfD-Fraktion wertete die am 22. Oktober 2018 freigeschaltete Internetseite, auf der Schüler und Eltern etwa kritische Äußerungen von Lehrern zur AfD melden können, hingegen als Erfolg.

Die Bestrebungen der AfD, eine kritische Auseinandersetzung im Unterricht zu unterdrücken, Kritiker zu denunzieren sowie Schüler zu instrumentalisieren, bestätigten die undemokratische und autoritäre Grundhaltung der Partei, sagte Erdmann. Die AfD habe Angst vor politisch gebildeten, frei denkenden Schülern und kritischen Pädagogen.

Dem widersprach der bildungspolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Franz Kerker: „Der AfD geht es eben nicht um Denunziation, sondern um die Wiederherstellung der neutralen Schule.“ Bisher gab es laut AfD rund 36.000 Zugriffe auf das Portal, rund 7000 Nutzer hätten Kontakt zur Fraktion aufgenommen.

„99 Prozent der Anliegen konnten durch Tipps, wie man am besten mit seiner Kritik auf den Lehrer zugeht, gelöst werden“, so Kerker.

Die Bildungsbehörde wurde nicht eingeschaltet

In 19 Einzelfälle habe die Fraktion mit allen Beteiligten „um eine Lösung im Sinne der neutralen Schule“ gerungen oder sei noch dabei. Eine Einbindung der Bildungsverwaltung sei bisher nicht notwendig gewesen, so Kerker. Ob die Beschwerden eher von Schülern oder von Lehrern kamen, habe man nicht erfasst, sagte Fraktionssprecher Thorsten Elsholtz dem Tagesspiegel.

Gesicht zeigen: Die Schüler des Fichtenberg-Gymnasiums in Steglitz protestierten gegen die anonymen Anfeindungen.
Gesicht zeigen: Die Schüler des Fichtenberg-Gymnasiums in Steglitz protestierten gegen die anonymen Anfeindungen.

© Boris Buchholz

„Das Portal hat keine Relevanz“, lautet der Eindruck von Andreas Steiner, Leiter des Steglitzer Fichtenberg-Gymnasiums. An seiner Schule hatten die Schüler vor einem Jahr ein Laken aufgehängt: „Wir sind nicht Eure Spitzel“, war da zu lesen. Es hängt noch heute.

Steiner geht aber davon aus, dass das Portal eine Zeitlang „die Grundstimmung“ an den Schulen beeinflusst habe. An seiner Schule hatten Unbekannte im Dezember zwei Plakate der Schülerschaft zerstört, die sich gegen das Portal gewandt hatten.

Anonyme Beschimpfungen und „elf Geständnisse“

Zudem wurde im Umfeld der Schule ein Schreiben plakatiert, in dem der Schule „Tugendprahlerei“ und einseitige Beeinflussung der Schüler vorgeworfen wurde. Das Schreiben endete mit „Heil A. Steiner, dem antirassistischen Schulführer“. Zudem wurden die Schüler verbal attackiert, die sich in der Schule für die Aktion „Schule ohne Rassismus. Schule mit Courage“ engagieren und gegen das AfD-Portal argumentierten. Sie wurden etwa als „Heuchler“ diffamiert.

Auch an weiteren Schulen starteten Schüler aus der Initiative Aktionen gegen das „Petzportal“, darunter das Andreas-Gymnasium in Friedrichshain.

Zudem hatten Lehrer der Kreuzberger Lina-Morgenstern-Schule die Idee zu einer „Selbstanzeige“, und zwei Lehrer des Heinz-Berggruen-Gymnasiums verfassten eine Art Selbstbezichtigungsschreiben mit „elf Geständnissen an die AfD“. Flankiert wurde all das mit einer Unterschriftenaktion gegen das Vorgehen der AfD durch die Lehrer-Initiative „Bildet Berlin!“. Unterm Strich blieb der Eindruck, dass Berlins Lehrer und Schüler kreativ und offensiv mit der Zumutung der AfD umgegangen waren und die Kleinmütigen nicht das Zepter führten.

"Schule ohne Denunziation". Schüler des Andreas-Gymnasiums positionierten sich von Anfang an gegen das AfD-Portal.
"Schule ohne Denunziation". Schüler des Andreas-Gymnasiums positionierten sich von Anfang an gegen das AfD-Portal.

© Kai-Uwe Heinrich

Die Antwort der Piraten: „Mein Abgeordneter hetzt“

Die Piraten waren besonders tatkräftig dabei, die AfD mit den eigenen (technischen) Waffen zu schlagen - etwa mit dem Portal „Mein Abgeordneter hetzt“ - und zwar bundesweit, denn auch in anderen Bundesländern hatte die AfD wie berichtet Portale eingerichtet: Hamburg machte den Anfang, nach Berlin folgten unter anderem Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt.

Zuletzt gab es aus Mecklenburg-Vorpommern die Nachricht, dass das erst im August 2019 eingerichtete Portal aus Datenschutzgründen verboten worden sei. Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe (SPD) hatte daraufhin „Spiegel Online“ gesagt, dass seine Behörde nun auch ein entsprechendes Verbot prüfe.

Unterschiedliches Vorgehen der Datenschützer

Die Datenschützer in Berlin und Hamburg hatten aber stets die Ansicht geäußert, dass es für ein Verbot keine Handhabe gebe.

Nach Rabes Einschätzung hat das Portal das Klima an den Schulen „vergiftet“: In Hamburg hatte es wochenlange Querelen über angeblich linke Tendenzen und Antifa-Material an einer Schule gegeben, aus denen die AfD „Honig saugen konnte“, wie die Einschätzung von Hamburger Gewerkschaftern lautete. (mit dpa)

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