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Schule: Entweder Mann oder Handtäschen

Der Daihatsu Copen ist der kleinste Roadster der Welt und bietet nicht viel Stauraum bei offenem Dach – da muss das Gepäck dann auf den Beifahrersitz

„Die wissen, was das Auto kann, aber was das Auto kann, wissen die nicht.“

Bleifußlady, beim Autotest in Sitges

* * *

Hier ist was anders. Moment mal, was stimmt hier nicht? Von vorne. Anwesenheitsliste. Ja, der Typ vom Internetautomagazin mit Pferdeschwanz und Turnschuhen ist da. Auch die sportiven Bleifußladys, denen die vielen PS Spurrillen ins ungeschminkte Gesicht gegraben haben. Und die Autojungs: Mechaniker und Verkaufsassistenten, die abends die Testwägelchen liebevoll wieder in Linie parken, aussaugen und sich darüber aufregen, wenn man darin geraucht hat. Aber was will die mit dem Goldtäschchen hier? Und die Schauspielerin aus der Friseurserie?! Die Bleifußladys schauen misstrauisch auf die ungewöhnlich weibliche Autotestkonkurrenz, die giggelnd gerade Mobildeutsch aus dem Katalog vorliest. Eine sagt verächtlich: „Die wissen, was das Auto kann, aber was das Auto kann, wissen sie nicht…“

Dies ist Sitges, das bei Barcelona liegt, und deshalb sind alle hier. Hier ist es schon warm genug, um ein Cabrio zu testen, dessen zweite Generation noch rechtzeitig vor dem Sommer auf den deutschen Markt gekommen ist. Und weil dieses Cabrio schon so oft „süß und knuffig“ genannt wurde, habe man eben auch die Damen von den Modemagazinen eingeladen, sagt ein PR-Mann des Unternehmens so jovial, dass man ihm mit dem spitzen Absatz gern auf den Fuß treten würde. Der Copen (ein Wort erschaffen aus Compact und Open) ist allerdings wirklich süß, im Sinn von zierlich. Offen hüftknochenhoch, geschlossen brusthoch, an den 1,64 dieser Testerin gemessen, und nur 3,40 Meter lang, kurz: der kleinste Roadster auf dem Markt. Und trotzdem kein Spielzeug.

Das ist vielleicht das Beste am Copen. Er kommt nicht so gokart-lustig daher wie all die andern kirmesfarbenen Mini- Roadster und Spaßautos. Dies ist, zumindest äußerlich, ein Luxusgeschöpf mit Retro-Charme. Ein wenig wie ein Fiat aus den 50ern, ein wenig wie der kleine Bruder des Audi TT, muschelrund und elegant, seltsamerweise von Daihatsu, der Firma, die bisher für eher praktische, eher bucklige Kleinwagen aufgefallen ist. Aber nun will Daihatsu in Europa das Händlernetz ausbauen und braucht einen Wagen, der nicht nur die Praktischen, sondern auch die Herzen gewinnt.

Anleitung zum Glücklichwerden: Man muss klein sein, muss Yoga können, sollte Kurven mögen und niemals damit zum Supermarkt fahren wollen, aber dazu später. Und nein, wir können jetzt noch nicht losfahren, erst mal muss das Einsteigen geübt werden. Rücken rund, Kopf tief, schlangenartiges Gleiten nach schräg unten. Der Wagen ist wirklich sehr niedrig. Kleine Menschen schauen gerade so unter der Sonnenblende durch, Sitzgrößen starren schon auf den Scheibenrahmen, und große Menschen, hilft nix, sitzen im Wind. Ein Fingerdruck: Srrrrr – das Hardtop versinkt in genau 18 Sekunden.

Aber dann endlich runter vom Hof, rein in die Meeresbrise, wrrroamm, Comicsprache muss jetzt sein, denn dieser Motor spricht zu einem und sagt: Ich weiß, 87 PS klingen mickrig, aber fühle ich mich nicht an wie 120? Gas! Und, rummms, runter auf die Sandpiste am Meer. Und schepper – schepper?! – schüttelt sich plötzlich der Beifahrersitz mit und verklappert den Sound. Was ist das denn? Nee, nicht der Beifahrersitz. Das Metallding am Anschnallgurt – gibt es dafür eigentlich eine Vokabel? – verrutscht gerne und tanzt dann auf der Innenlackierung der Tür herum. Schade.

Es geht aufs Land hinaus. Einen komischen Effekt hat dieses Auto: Die langen Geraden, Rennstrecken eigentlich, will man ertrödeln, denn Il Copen ist dann so schön leise, dass über dem Motor noch das Zwitschern der Vögel zu hören ist. Kirschbäumchen blühen rosa vor dunkler, feuchter Frühlingserde. Weiße Finkas an sanften Hügeln mit schwarzen, noch unbelaubten Weinreben ziehen vorbei. Aber dann ist man raus aus dem Weinland und wieder in Kurvencountry, und hier macht dieser Roadster am meisten Spaß. Wie ferngesteuert sinkt der Fuß aufs Gas, die Beschleunigung drückt den Rücken ins warme Polster (die Sitzheizung gehört zur Grundausstattung). Voller Vertrauen geht es in die erste Kurve hinein. Eine schmale Straße am Abgrund, ein Blick in die Tiefe, Kakteenblüten recken sich, schweben hinaus ins Leere, uuaaah, sehr tief, aber egal! Halb ängstlich, halb entzückt noch ein wenig mehr aufs Gas – und rechtslinksrechts! Lenken geht per Blinzeln, denkt man, nur antippen das Lenkrad, so leicht. Bleiern haften dafür alle vier Reifen auf der Straße, keine Fliehkräfte, in die man sich stemmen müsste, kein Rückenweh: Wie in einem Polstersessel saust man durch die Serpentinen.

Die nächste Kurve. Und schalten. Das braucht leider viel Kraft – am Ende einer kurvigen, schnellen Fahrt hat man rot den Abdruck des schicken Edelmetallschaltkügelchens in der Hand (noch so ein Vokabelproblem). Und ein weiterer Fluch des schönen Designs: Steile Senken wie hinunter auf Offroad-Parkplätze müssen sehr vorsichtig genommen werden mit dem tiefen Chassis: Ein Tick zu schnell, und der Copen setzt mit hässlichem Knirschen auf.

Pause in Castellet. Blick über silbergrünen Stausee und sandsteingelbe Festung – und es stellt sich heraus: Den Copen zu parken macht genauso viel Spaß wie ihn zu fahren, wenn man sich gern bewundern lässt. Der Polizeichef, der in der Bar saß, kommt neugierig raus. Das Dingelchen, das da neben seinem wuchtigen Sheriffjeep steht, ist gerade mal ein Drittel so hoch, macht aber viel Eindruck. Drei Bauarbeiter stellen ihre Schaufeln beiseite und kommen näher, eh, que marca? Daihatsu? Wirklich? Der Radfahrer, den man in den Serpentinen geschafft hat, strampelt heran und stoppt. ’sta nuevo?, fragt er. Si. Hmm, macht er genießerisch, la linea! Muy elegante… Der Polizeichef schaut neidisch, als man sich, den Schmerz unterdrückend, lässig wieder unters Lenkrad quetscht, mit zwei Fingern grüßt und abzischt.

Alles in allem bleibt ein winziges Problem – im Wortsinn. Der Kofferraum des kleinen Daihatsu. Wenn das Verdeck zu ist, geht ein Wasserkasten rein, mehr nicht. Ist der Copen offen, nicht mehr als ein Handtuch und ein Kuli, alles andere muss auf den Beifahrersitz. Die Schauspielerin (sie durfte fast nur parken und für den Fotografen posieren) sinniert am Abend zum Abschied vor dem Wagen: „Tja, entweder Mann oder Täschchen.“ Der Internetmagazinmann murmelt halb enttäuscht, halb begehrlich: „Typischer Drittwagen.“ Und eine der Bleifußladys sagt burschikos, wie es ihre Art ist: „Nicht mal ein Frauenwagen.“ Als müssten Frauenautos immer große Kofferräume haben.

Trotzdem. Und aus Trotz. Es muss auch mal sein, so ein Plädoyer für die schiere Unvernunft. Für den mäßig offroadtauglichen Roadster, den Drittwagen mit viel Linie und ohne Stauraum, den auch (kleine) Männer gerne fahren.

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