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Schule: Es geht an die Substanz

Bildungsministerin Schavan will jeder Schule in Deutschland 100 000 Euro zur Verfügung stellen - für Umbauten und Renovierungen. Berlins Schulen könnten das Geld gut gebrauchen. Denn der Sanierungsstau beträgt mehr als eine Milliarde Euro.

Eine Investitionssumme von 100.000 Euro für jede Schule – das hat Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) vorgeschlagen, um die Wirtschaft anzukurbeln und die Stimmung in den Klassenzimmern zu verbessern. In Berlin findet dieser Vorschlag große Zustimmung, denn der Verfall ist hier allgegenwärtig: Auf weit über eine Milliarde Euro wird der Sanierungsbedarf geschätzt. Manche Eltern haben sich längst an die maroden Ecken gewöhnt, andere nicht, darunter die Zehlendorfer Elternvertreterin Daniela von Treuenfels, die den Finanzsenator per elektronischen Adventskalender in Sachen „Baustelle Schule“ auf dem Laufenden hält. Jeden Tag bekommt er eine E-Mail über einen Problemfall in der Stadt. Der Nachteil dieses Adventskalenders liegt auf der Hand: Er hat nur 24 Türchen – und zeigt damit nur einen Bruchteil der laut Bildungsverwaltung 754 reparaturbedürftigen Schulen und vollständig gesperrten Sporthallen.

Beispiel Lichtenberg. Bildungsstadträtin Kerstin Beurich (SPD) beziffert den Sanierungsbedarf auf 136 Millionen Euro für ihre 50 Schulen. Die auch für Berliner Verhältnisse extrem hohe Summe begründet sie mit den DDR-Altlasten: „An einigen Schulen war über Jahrzehnte nichts gemacht worden.“ Wohin das führt, lässt sich gut an der Karlshorster Richard-Wagner-Grundschule sehen. Fenster, Türen, Decken – alles modert vor sich hin. Zwar will der Bezirk nächstes Jahr 830 000 Euro finanzieren. Gebraucht würden aber über zwei Millionen, betont Elternsprecher René Glase. Deshalb werde es trotz der Sanierung dabei bleiben, dass das Lehrerzimmer aus einem umfunktionierten Flur bestehe und dass einige Räume wegen kaputter Jalousien kaum nutzbar seien.

Auf den ersten Blick weniger dramatisch ist die Lage in Steglitz-Zehlendorf. Hier beläuft sich der Investitionsrückstau laut Bildungsstadträtin Anke Otto (Grüne) auf 30 Millionen Euro – ein Bruchteil des Lichtenberger Defizits. Aber auch hier gibt es Probleme. „Sieben bis acht“ Turnhallen seien wegen Baufälligkeit geschlossen, sagt Otto: „Wir hangeln uns von Havarie zu Havarie“, beschreibt sie die Auswirkungen der Geldnot.

Da die Elternschaft im bürgerlichen Südwesten anspruchsvoller ist als andernorts, häufen sich hier die Beschwerden. So hat beispielsweise an der Pestalozzi-Schule Elternvertreterin Birgit Schütz eine „Klo AG“ gegründet, weil ihr die Sanitäranlagen unzumutbar erschienen. „Die Kinder mögen nicht auf die Toilette gehen. Wie sollen sie da dem Unterricht folgen?“, fragt sich die Zahnärztin, die sich schon seit zwei Jahren für die Sanierung der Anlagen einsetzt. An der Alfred-Wegener-Realschule haben sich die Siebtklässler-Eltern gerade verabredet, im Januar den Klassenraum ihrer Kinder zu streichen, „denn er ist vergilbt und verdreckt“, beschreibt die Elternsprecherin der Klasse 7d den Zustand.

Noch weitreichender sind die Defizite am Steglitzer Fichtenberg-Gymnasium. Hier fielen im Direktorenzimmer Deckenteile herunter, weil die darübergelegenen Rohre des naturwissenschaftlichen Trakts marode waren. Der Geldmangel hat dazu geführt, dass diverse Leitungen gar nicht mehr benutzt werden können, so dass einige Versuche im Chemie- und Physikunterricht nicht mehr möglich sind, berichtet Schulleiter Rainer Leppin.

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) sieht die Schuld dafür nicht bei seiner Sparpolitik. Er verweist auf 32 Millionen Euro aus dem Schulstättensanierungsprogramm und rechnet vor, dass die Bezirke jährlich rund 80 Millionen Euro für die bauliche Sanierung der Schulen erhalten.

Sind die Schulen in so schlechtem Zustand, weil die Bezirke die Sanierungsmittel des Landes nicht vollständig an die Schulen weiterreichen? „Nein“, sagt der Bildungsstadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf, Reinhard Naumann (SPD). Obwohl sein Bezirk die Prioritäten klar im Schulbereich setze, reiche das Geld nicht. Deshalb würde er ein Investitionsprogramm des Bundes begrüßen. „Allerdings müsste man den Betrag verdreifachen.“

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) reagiert skeptischer. „Nach den schlechten Erfahrungen mit dem Bildungsgipfel bin ich vorsichtig geworden, wenn der Bund mit großen Initiativen zur Bildungspolitik kommt“, sagte er am Montag. Aber sicher sei ein deutschlandweites Investitionsprogramm für Kitas, Schulen und Hochschulen „dringend geboten“. Im Übrigen habe Schavan ja nur eine Aussage des Bundesfinanzministers aufgegriffen, der sich schon vorher für ein Konjunkturprogramm in Sachen Bildung eingesetzt habe. Zöllner will sich jetzt erst mal dafür stark machen, im kommenden Etat „deutlich mehr Mittel für die Sanierung und den Ausbau von Schulen einzustellen“.

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