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Europaschulen: Auf dem Absprung

Die Berliner Europaschulen beklagen einen Schülerschwund: Mehr als die Hälfte der Schüler verlässt den Schultyp nach der Grundschulzeit. 17 Jahre nach Einführung des zweisprachigen Modellversuchs gibt es noch keine Auswertung.

Berlins Europaschulen laufen nicht rund. Nach dem Ende der Grundschulzeit verlässt weit über die Hälfte der Schüler den Schultyp und verabschiedet sich damit von dem anspruchsvollen zweisprachigen Konzept. Zudem liegt 17 Jahre nach Beginn des Modellversuchs noch immer keine Abschlussauswertung vor. Dies geht aus Antworten auf Kleine Anfragen des grünen Bildungspolitikers Özcan Mutlu hervor. Der Abgeordnete wirft dem Senat einen „katastrophalen Umgang“ mit den Europaschulen vor.

Nach Angaben der Senatsverwaltung für Bildung besuchen über 4200 Schüler Grundschulklassen der Staatlichen Europaschulen Berlin (SESB). Bereits nach Klasse 4 beginnt allerdings der Schwund in Richtung grundständige Gymnasien, allen voran das angesehene Französische Gymnasium. Nach Klasse sechs verstärkt sich diese Tendenz. In den zwölf weiterführenden Europaschulen, also drei Realschulen, drei Gymnasien und sechs Gesamtschulen, verbleiben letztlich nur knapp 1500 Schüler in Klasse 7 bis 13.

Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) begründet diesen Schwund unter anderem damit, dass es sich um ein „sehr anspruchsvolles Sprachenmodell handelt, das ein hohes Maß an Leistungsvermögen erfordert“. Deshalb sei es wichtig, „intensive Beratungsgespräche“ mit den Eltern zu führen und ihnen klar zu machen, dass die Wahl einer Europaschule nur Sinn macht, wenn man sie bis zu dem entsprechenden Abschluss besuche.

Mutlu sieht allerdings nicht nur die Schulen in der Pflicht, sondern auch die Verwaltung. Sie tue nicht genug, um den Erfolg der Schulen zu sichern. Sie würden sich selbst überlassen, eine Problemanalyse finde nicht statt. Zudem gebe es mit drei Staaten – Polen, Russland und der Türkei – noch keine Vereinbarung über die Anerkennung der Abschlüsse.

Erschwerend kommt hinzu, dass nur drei der neun Europaschulsprachen an Gymnasien fortgesetzt werden: „Wer für sein Kind unbedingt ein Gymnasium will, verzichtet dann eben auf das Europaschulmodell“, beobachten frustrierte Rektoren, die ihre leeren Klassen mit Seiteneinsteigern auffüllen müssen. Ob diese Seiteneinsteiger das Konzept durchhalten, wird allerdings nicht verfolgt.

Besonders auffällig ist der Schülerschwund beim deutsch-türkischen Angebot: Aktuell stehen hier 475 Grundschülern nur 90 Oberschüler gegenüber. Es wird immer schwieriger, genügend Kinder deutscher Herkunft für das türkische Angebot zu gewinnen. Dabei beruht das gesamte Konzept darauf, dass zu gleichen Teilen deutsche und nichtdeutsche Muttersprachler an dem Modell teilnehmen. Der erste deutsch-türkische Abiturientenjahrgang bestand nur aus acht Absolventen. Susanne Vieth-Entus

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