zum Hauptinhalt
Was zu lachen: Sarah (l.), hier mit ihrer Freundin Laura, kommt meist mit ihrer kleinen Schwester. In der „Arche“ können sie zwischen vielen Aktivitäten wählen.

© Katharina Ludwig

Ferien im sozialen Brennpunkt: Aufgefangen in der "Arche"

Die unterrichtsfreie Zeit kann in sozial benachteiligten Familien zur Belastung werden. In der „Arche“ finden Kinder aus Hellersdorf Freizeitangebote und eine warme Mahlzeit.

Für die zwölfjährige Sarah und ihre Schwester Sophie, sechs Jahre, beginnt der Tag in der Hellersdorfer Kinder- und Jugendeinrichtung „Arche“ wieder mit einer warmen Mahlzeit. Der helle Speiseraum ist im Keller des vierstöckigen Plattenbaus untergebracht. Die Kinder stellen sich an, um ihr Mittagessen zu holen. Manche sind mit Vater oder Mutter gekommen, die hier ebenfalls kostenlos mitessen können. Für Mahlzeiten mit der Familie ist ein Teil des Speiseraums reserviert, etwas gesondert von den übrigen Kindern und ihren Betreuern.

Seit 1995 ist die von dem Pastor Bernd Siggelkow gegründete „Arche“ eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche aus Hellersdorfer Familien, die von Armut betroffen sind. In drei Altersgruppen unterteilt werden hier von Montag bis Freitag Zwei- bis 18-Jährige betreut. Für Kleinkinder bietet die Arche einen unbürokratischen Kita-Platz, wenn Eltern keinen anderen Platz organisieren konnten. Die Nachfrage im Bezirk ist groß. Sechs- bis 14-Jährige können hier während der Schulzeit Hausaufgaben machen, an Computern arbeiten oder eines der vielen Freizeitangebote wählen.

Fünf Standorte hat die "Arche" inzwischen - allein in Berlin

Die Kinder kommen an in einem Kindercafé mit Theke, von der sie sich Gesellschaftsspiele leihen können, und bewegen sich dann nach Lust und Laune im Haus. Alle Angebote sind freiwillig. Für die Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren gibt es aktivierende Freizeitaktivitäten, Workshops und Hilfe zur Berufs- und Ausbildungsorientierung. Insgesamt sind hier während des Schuljahres pro Tag etwa 160 Kinder und Jugendliche im Haus unterwegs. Es ist einer von fünf Berliner Standorten des deutschlandweit tätigen christlichen Kinder- und Jugendwerks „Arche“.

"Viele Kinder wissen nichts mit sich anzufangen".

„Damit man keine Langeweile hat“, fasst die zehnjährige Hauine zusammen, warum sie sich auf den Weg in die Tangermünder Straße macht. Das gilt besonders für die Ferien, denn ohne Betreuung wird die Freizeit für die Kinder hier leicht zu einer Belastung. Sicher – für die, die sich in der Schule schwer tun und zum Teil wegen großer Lücken im Unterricht tagein tagaus gar nicht mehr mitkommen, bedeuten die Ferien eine Zeit ohne schulische Kränkungen, sagt Monique Rauchhaus. Die 28-Jährige leitet gemeinsam mit ihrem Ehemann das Haus in Hellersdorf mit seinen zwölf pädagogischen Mitarbeitern plus Praktikanten. Gleichzeitig fällt gerade für Kinder aus Familien mit sozialen Problemen in den Ferien auch jedes Programm weg.

„Viele wissen nichts mit sich anzufangen“, beobachtet Rauchhaus, viele können nicht spielen: Schon am Morgen sitzen sie vor dem Eingang der Arche, obwohl erst um 12 Uhr geöffnet wird. Der Hausmeister schicke sie dann noch mal weg mit der Bitte, später wiederzukommen. Wenn die Kinder sich in Einkaufszentren oder auf öffentlichen Plätzen den Vormittag vertreiben, müssen sie aufpassen, nicht von älteren Jugendlichen, die ebenfalls herumhängen, gepiesackt zu werden. Die „Arche“ hat auch einen täglichen Abholservice mit zwei Kleinbussen eingeführt, die täglich zwei Touren fahren, damit Kinder nicht weite Strecken alleine mit den Öffentlichen fahren.

Begrüßungen, ein freundlicher Umgangston - all das muss erstmal eingeübt werden

Andere Kinder müssen zu Hause schon früh Verantwortung übernehmen: Sie gehen einkaufen, machen die Wohnung sauber, holen jüngere Geschwister von der Kita ab. Das klappe mehr schlecht als recht. Wenn die Kinder in der „Arche“ ankommen, sind sie häufig komplett angespannt und kaum aufnahmefähig, sagt Rauchhaus.

"Schön, dass Du da bist", steht auf dem Plakat im Kinder-Café

Ein großer Teil des Alltags besteht für das pädagogische Team darin, Kränkungen und Aggressionen zu bearbeiten. Eingeübt werden Begrüßungen, ein freundlicher Umgangston und gewaltfreier sozialer Kontakt. „Schön, dass du da bist“, sagt Rauchhaus Kindern, sobald sie im Haus eintreffen und drückt sie. Auch auf einem Plakat im Kinder-Café sind diese Worte zu lesen. In einem Tanzraum mit Spiegel soll die Selbstwahrnehmung der Kinder geschult werden. In einem scherzhaft „Gummizelle“ betitelten Sportraum können sich Kinder auf Matten und mit Sportgeräten körperlich austoben. Seit kurzem steht auch eine Sporthalle gleich neben dem Gebäude zur Verfügung. Für die 11- bis 14-Jährigen, die am Übergang zum Jugendbereich stehen, gibt es einen eigenen Aufenthalts- und Rückzugsraum: er wird TNT-Treff genannt, nach der explosiven Kraft der Altersgruppe. Manche Kinder durchwandern in der Einrichtung sämtliche Stationen. Eine 13-Jährige kommt seit zwölf Jahren hierher.

Dank einer Spende bietet ein Gitarrenlehrer Unterricht an

In Kooperation mit Freiwilligen will die christlich orientierte „Arche“ die Kinder und Jugendlichen anregen, neue Dinge auszuprobieren. In einer Werkstatt können Kleingruppen mit Papier und Holz arbeiten. Durch eine Spende bietet gerade ein Gitarrenlehrer Unterricht an. In den Ferien gibt es außerdem eine Fahrradtour, eine Kinderparty mit Familienpicknick, Naturbasteln, einen Nachmittag im Wald und ein Survival-Trip. Jeden Mittwoch gehen Kinder joggen, um Anfang September am Tiergartenlauf über eine Strecke von fünf Kilometern teilzunehmen, ergänzt Amina, neun Jahre. Außerdem werden für die Kinder und Jugendlichen zwei separate Sommercamps organisiert. Für die übrigen läuft der Betrieb im Haus regulär weiter. Ein Mädchen erzählt, dass sie nicht mitfährt – weil sie die vielen Insekten beim Zelten nicht mag. Die Zeltcamps findet sie trotzdem gut. „Dann ist es hier ruhiger“, freut sie sich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false