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Eisverkaufen und Kellnern zählen zu den häufigsten Ferienjobs.

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Ferienjobs in Berlin: Sie sind jung und brauchen das Geld

Ferien? Endlich mal Zeit zum Arbeiten. Aber auch das ist nicht immer das reine Vergnügen. Drei Geschichten vom Verdienen.

Nora Tschepe-Wiesinger macht Slush im Strandbad Wannsee

Nora Tschepe-Wiesinger
Nora Tschepe-Wiesinger

© privat

Das Eis schmilzt, der Schweiß rinnt, die Slush-Eismaschine gibt ihren Geist auf. Bei 33 Grad im Schatten gefriert das Wasser für das Slush-Eisgetränk in der Maschine nicht mehr. „You're serious? No slushy?“, beschweren sich die ersten amerikanischen Gäste. „Nope, sorry.“

Hochbetrieb im Strandbad Wannsee. Sobald das Thermometer die Dreißig-Grad-Marke erreicht, strömen tausende Berliner und Touristen in das größte Freibad der Hauptstadt.

Um mir einen Campingurlaub in Italien zu finanzieren, stehe ich schwitzend mit roter Schürze und geschlossenen Schuhen hinter der Slush-Eismaschine, fülle das klebrig-süße Zeug in Plastikbecher und reiche es sonnengebräunten Amerikanern. Wer im Strandbad Wannsee arbeitet, muss Englisch sprechen können. Rund die Hälfte der Badegäste, die bei mir ein Eis bestellen, kommt aus dem Ausland. „Amazing“ finden sie Berlin, die Sonne, den Wannsee und wollen ihren Slushy mit Kreditkarte bezahlen. Fehlanzeige – im Strandbad gilt nur Bares und sorry, die nächste cash machine ist erst am Bahnhof Nikolassee.

Mit der Arbeit am Eisstand habe ich Glück gehabt. Die Pommesverkäufer einen Stand weiter schwitzen deutlich mehr: Schüler und Studenten stehen für Flug- und Festivaltickets hinter fettigen Fritteusen und braten Pommes in heißem Öl. Die meisten, die im Strandbad arbeiten, sind Saisonkräfte während der Schulferien und finanzieren sich so ihre eigene Sommerreise. Lust auf Urlaub kriegt man beim Blick auf Sandstrand, Strandkörbe und Wannseewasser schnell. Auch die Preise fürs Essen sind ähnlich hoch wie am Flughafen. Eine Kasse, mit der ich die Summen ausrechnen kann, gibt es nicht. Ich muss alles im Kopf addieren und fühle mich bei den tropischen Temperaturen und einer länger werdenden Schlange schnell überfordert.

Als sich um 19 Uhr die ersten Badegäste Richtung Ausgang bewegen, beginnt für mich und die anderen Essensverkäufer das große Putzen. Die Eismaschine muss gereinigt, die Flaschen in den Kühlregalen aufgefüllt und der Boden gewischt werden. Denn sobald die Sonne wieder scheint, heißt es für Touris, Berliner und Eisverkäufer wieder: „Nischt wie raus nach Wannsee“.

Bengisu Serpin nimmt Löffel entgegen

Das Kottbusser Tor, Inbegriff von Vielfalt und Gegensätzen. Hipster schlängeln sich durch Gruppen von Jugendlichen, Rapmusik dröhnt aus einem polierten Mercedes, der Duft von Döner mischt sich mit dem von Cannabis und mittendrin das beliebte Café, das gleichzeitig Nussladen ist und meiner Familie gehört. In den Ferien ließen sie mich dort arbeiten. Meine Aufgabe: Nett lächeln und Getränke verkaufen.

Eigentlich sollte ich auch diverse Sorten von Nüssen in Tüten abfüllen, jedoch wurde allen Beteiligten schnell klar, dass dies bald zu einer Nussapokalypse auf dem Boden führen würde.

Ich merkte, dass mir die kleinen Plaudereien mit den Kunden Spaß machten, und war stolz darauf, meinen Job ganz gut zu meistern. Lächelnd holte ich die Mate-Flaschen heraus, wenn ich aus der Entfernung Hipster kommen sah, und wischte in den Pausen die Tische, falls einige Kunden wieder mal die Schalen für den Müll nicht getroffen hatten.

Meine Arbeitstage verliefen blendend und ohne Zwischenfälle, bis mir an einem Abend eine Frau begegnete, die meine Der-Kunde-ist-König-Regel ins Schwanken brachte.

Es war eine Frau mittleren Alters, umhüllt von bunten Tüchern. Ich hätte mich nicht gewundert, wenn ich sie mal in der in der Zeitung entdeckt hätte, weil sie sich an einen Baum gekettet hat, um gegen Tierversuche zu protestieren.

Die Frau bestellte einen Cappuccino. Und dann passierte es: Sie lächelte mich an, zog den Löffel aus dem Cappuccino und leckte ihn von oben bis unten ab. Vom Kopf bis zum Stiel, ganz langsam und genüsslich. Mein Lächeln verzerrte sich, denn ich hörte, wie mein Cousin neben mir kicherte.

Die Frau hielt mir den Löffel vor die Nase und erwartete, dass ich ihn ihr abnehmen würde. Ich gab ihr einen Wink, den Löffel auf der Theke abzulegen, und tat so, als müsste ich dringend ein Glas abtrocknen. Doch sie erwiderte lächelnd: „Ach Quatsch, der Löffel gehört doch nicht auf die Theke!“, und wedelte damit herum. Von hinten tönte mein Cousin grinsend: „Genau, der Löffel gehört nicht auf die Theke!“

Aber auch nicht ganz in den Mund!, schrie das Teufelchen auf meiner Schulter und wollte den Löffel am liebsten einfach wegkicken. Aber dann setzte ich doch wieder ein mehr oder weniger überzeugendes Lächeln auf, nahm den eingespeichelten Löffel zähneknirschend und wiederholte innerlich immer wieder: Der Kunde ist König!

Max Deibert merkt sich Stammgäste

Mein erster Job: Kiezkneipe. „Merk dir die Namen der Stammgästen, der Rest kommt von alleine“, wurde mir geraten. Ich spülte schüchtern Geschirr und Besteck. Ein Job, der dank idealistischer Arbeitgeber fair bezahlt wurde, mich jedoch wenig befriedigte. Einige wichtige Lektionen lernte ich dennoch.

Max Deibert
Max Deibert

© privat

Beispielsweise, dass gewisse Anweisungen schlichtweg Priorität haben. Wenn der Tresen kein sauberes Besteck mehr hat, ist es ein ziemliches No-Go, „mach ich gleich“ zu sagen und die Zuckerstreuer in aller Ruhe fertig aufzufüllen. Als Bestrafung folgt selten Schimpfen von Mitarbeitern, sondern der Zusammenbruch des gesamten Systems, und das bedeutet atemlosen Stress für den Rest des Abends. Man muss lernen, mitfühlend zu reagieren, wenn die Köchin um 23 Uhr gegen den Herd tritt und schreit: „Wer zur Hölle bestellt denn um diese Uhrzeit noch gegrilltes Hühnchen?!“

Einmal durfte ich bei einem VIP-Event in einem Hangar des Flughafen Tempelhof als Kellner arbeiten. Anständiger Stundenlohn, Kontakt zu berühmten Menschen und coole Kostüme, besser geht es wohl nicht. Ich schlief die Nacht davor gefühlte zwei Stunden. Diese Angst: ich bin ein Versager, wie hält man korrekt das Tablett, was, wenn mir etwas herunterfällt? Dann der nächste Morgen. Versprochen wurde uns im Vorfeld, dass wir elegante Fluguniformen tragen würden. Für die Damen traf das durchaus zu. Wir Männer bekamen eine in Plastik eingeschweißte Kapitänsmütze aus Latex, kratziges Hemd und Krawatte mit Gummizug, Produktname „Air Fetish“, ausgehändigt. So fühlt sich also die Arbeitskleidung eines Strippers an. Die VIP Gäste waren begeistert. Jeder wollte meine Mütze berühren. Ich ließ nichts fallen, wurde für mein charmantes Auftreten gelobt und es gab Catering mit Eisskulpturen. Aus dem Event ging ich mit etwas mehr Selbstvertrauen und der Visitenkarte für ein Nobelrestaurant am Kurfürstendamm, das dringend Aushilfen benötigte. Von meinem Ersparten bin ich vor Kurzem durch China gereist. Bald steige ich wohl wieder in die Gastronomie ein. Das Geld kommt ja nicht zu mir geflogen.

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