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© promo

Festival in Cannes: Der Klang der Hoffnung

Raue Landschaften und Radios an Bäumen: In seinem Film "Sirta la gal ba" (Whisper with the Wind) malt der irakische Regisseur Shahram Alidi wunderschöne, surrealistische Bilder vom Krieg im Irak der 80er Jahre.

Der Baum ist knorrig und alt, steht mitten in der Wüste. Seine Äste sind kahl. Dennoch - er trägt eine Last. Sie ist schwer, niederschmetternd. Bei der Last handelt es sich um Radios. Unzählige Radios, die an diesem Baum gehängt wurden. Sie baumeln an Stricken, immer weitere kommen dazu. Voll aufgedreht und doch verloren schreien sie dem Zuschauer entgegen.

Der Mann, der an den Baum gefesselt ist, bietet einen ähnlich skurrilen Anblick. Mit seinen kurzgeschorenen Haaren und seiner großen Sonnenbrille mit runden Gläsern scheint er völlig deplatziert. Doch er ist der Einzige, der wirklich versteht. Der versteht, dass es die Freiheit ist, die da im Tode schreiend am Baum hängt. Die Freiheit eines gesamten Volkes, welches unterdrückt und ermordet wird. Es ist die Freiheit der Kurden.

Ein anderer Mann fährt mit seinem verrosteten Jeep durch die rauen Landschaften seiner Heimat. Es ist Mam Baldar. Von Dorf zu Dorf reist er und nimmt mit seinem Radio Botschaften auf. Er transportiert wichtige Güter: Hoffnung, aber auch Trauer, Tod und Verzweiflung. Überall beobachtet er die Auswirkung des Krieges. Orte, an denen er vor kurzem noch war, sind bald  zerstört, die Einwohner tot und ein Stück seines Willens gebrochen.

In seinem Film "Sirta la gal ba" (Whisper with the Wind) gelingt es dem irakischen Regisseur Shahram Alidi, wunderschöne Bilder eines Krieges zu malen: im Irak der 80er Jahre. Die zuweilen surrealistische Inszenierung will so gar nicht zum Thema passen. Der Zuschauer ist distanziert und kann sich nur schwer mit den Figuren identifizieren.  Auch die Tonspur ist sehr speziell: Schrille Töne, die durch Mark und Bein gehen, erinnern an wehklagende Schreie. Eine oft viel zu laute Hintergrundmusik verleitet dazu, unbehaglich auf dem Kinosessel hin- und herzurutschen. Das Risiko, dass das Publikum abgeschreckt wird und nicht versteht, ist dabei unvermeidbar. Eines schafft der Film jedoch auf jeden Fall: anders zu sein, Aufmerksamkeit zu erregen. Aufmerksamkeit, die für diesen politischen Film nur von Vorteil sein kann.

Das Schreien eines Babys dringt aus den Lautsprechern. Weicher und weicher wird es, bis es in wohliger Erschöpfung endet. Es sind die ersten Laute des Neugeborenen. Der Mann ist gefesselt. Doch nicht mit den Stricken, sondern von diesen Tönen.  Ein seliger Ausdruck erscheint auf seinem Gesicht. Er schaut nach oben, ein Lächeln umspielt seine Lippen: Hoffnung.

"Sirta la gal ba" (Whisper with the wind), Irak 2009, 77 Minuten, auf Kurdisch. Regie, Drebuch, Ausstattung: Shahram Alidi, Kamera: Touraj Aslani, Ton: Asghar Abgoun, Schnitt: Hayedeh Safiyari. Besetzung: Omar Chawshin, Maryam Boubani, Fakher Mohammad Barzani,  Valid Marouf Jarou, Moharam Hossein Ghader, Bistoun Ali Ghader.

Link: www.semainedelacritique.com

Moritz Kobler

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