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Filmkritiken Berliner Schüler: Kinosaal statt Klassenzimmer

Zwölftklässler der John-F.-Kennedy-Schule reisten als Filmkritiker zum Festival nach Cannes

Von Patricia Wolf

Von Berlin an die Cote d’Azur, vom Ku'damm an die Croisette, statt Klassentafel Kinoleinwand. Für vier Berliner Schülerinnen und Schüler wurde dies zehn Tage lang Wirklichkeit. Der frankophone Fernsehsender TV5 Monde und das Deutsch-Französische Jugendwerk (DFJW) hatten je 16 deutsche und französische Schüler mit Liebe zum Kino eingeladen, beim Festival von Cannes zu Filmkritikern zu werden. Im Rahmen der Semaine Internationale de la Critique, einer Sektion des Festivals, in der junge Regisseure ihre Erstlingswerke präsentieren, hatten die Jugendlichen die Aufgabe, sich täglich eine Vorführung anzuschauen und eine Kritik zu verfassen. Zum Ende der Woche waren sie zudem aufgefordert, den Preis der (ganz) jungen Filmkritik an ein Werk ihrer Wahl zu vergeben.

Für das DFJW und TV5 Monde war die Entscheidung nicht leicht: Mehr als 200 Schülergruppen allein aus Deutschland hatten sich beworben, von denen schließlich je vier Schüler aus Berlin, Niedersachsen, Bayern und Baden-Württemberg ausgewählt wurden. Sie bekamen die Gelegenheit, mit ihren Lehrern beim bekanntesten und glamourösesten Filmfestival dabei zu sein. Aus Berlin kamen Nora Heidorn, Julia Parizo, David Heim und Moritz Kobler vom Französisch-Leistungskurs der Zehlendorfer John-F.-Kennedy-Schule. Die Zwölftklässler hatten erst im April erfahren, dass sie fahren durften. Und weil im vollgepackten Schulalltag nicht viel Zeit für die Vorbereitung blieb, trafen sie sich nachmittags, um Fachliteratur zu studieren oder das Verfassen von Filmbesprechungen zu üben.

An der Cote d’Azur angekommen, fiel es ihnen leicht, in ihre neue Rolle zu schlüpfen. Das war aufregend, aber auch anstrengend. Gleich nach dem Frühstück machten sie sich auf zur Filmvorführung, danach kamen sie mit Regisseuren und Schauspielern zusammen, konnten Fragen zum Film stellen. Nach einem gemeinsamen Essen fanden sie sich jeden Nachmittag an ihrem Arbeitsort, einer alten, charmant verfallenen Villa ein. Nachdem über den Film diskutiert wurde, fertigten sie die Kritik an – mal allein, zu zweit oder in der ganzen Gruppe. Abends gab es Gelegenheit, gemeinsam mit Tausenden anderen Filmmaniacs und Glamoursüchtigen auf der Croisette zu flanieren. Dazu warf sich der eine oder andere ins elegante Outfit, denn wer weiß, vielleicht ließ sich eines der begehrten Tickets für einen Wettbewerbsfilm ergattern?

Zum Abschluss der Woche folgten dann gleich mehrere Highlights. Zuerst mussten die Schüler den besten Film küren. Der Entscheidung ging eine hoch emotional geführte, zweistündige Debatte voraus. Schließlich einigte man sich auf „Whisper in the Wind“, den Erstling eines irakischen Regisseurs, der für die jungen Kritiker auf ganz besondere Weise ein universelles Thema in poetischen Bildern verdichtete. Dass sie dabei ein gutes Gespür bewiesen, zeigt sich daran, dass der Film später noch mit zwei weiteren Preisen ausgezeichnet wurde. Am nächsten Vormittag der nächste Höhepunkt: die feierliche Preisverleihung für die beste deutsche und beste französische Filmkritik. Auf deutscher Seite waren es die Niedersachsen, die den Preis überreicht bekamen, auf französischer Seite die Gruppe aus dem Städtchen Sète.

Für Béatrice Angrand, Generalsekretärin des deutsch-französischen Jugendwerks, sind solche Projekte ganz wichtig. Es geht ihr vor allem um den interkulturellen Dialog. Und sie bedauert, dass die französische Sprache bei deutschen Jugendlichen als nicht besonders cool gilt und immer mehr Spanisch lernen wollen.

Die Berliner Schüler ficht das nicht an. Sie lernen begeistert Französisch. Und nun freuen sie sich auf die Berlinale 2010, denn die Gewinner aus Wunstorf und Sète werden kommen und die gemeinsamen Erinnerungen aus Cannes mitbringen.Patricia Wolf

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