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Schule: Ganz schön neben der Spur

Mercedes wagt sich mit der neuen GL-Klasse auf das Feld der großen Offroad-Fahrzeuge Manche finden so viel Auto unvernünftig – aber Umwege machen nun mal besonders viel Spaß

Die Gobline schauen erschrocken hinter ihren kugeligen Steinen hervor. Ein Elfenhaus ist umgefallen. Ein unvorsichtiger Autofahrer hat abseits der offiziellen Piste eine der kleinen Steinpyramiden umgefahren, die es in Island zu Tausenden in den einsamen Hochlagen gibt. Jetzt liegen die eben noch ordentlich aufgehäuften Steine ziemlich unordentlich nebeneinander, und der Unfallfahrer steht unbeholfen daneben. Soll er das Unglück einfach so am Straßenrand liegen lassen oder doch besser aufrichten?

Dabei war es so freudvoll, die neueste Offroad-Variante GL von Mercedes-Benz einmal dahin zu treiben, wo sie hingehört. Auf staubiges, unbefestigtes Gelände zwischen großen und kleinen Steinen, mitten im Outback der Insel, die so verdammt an den Mond erinnert. Ein Auto, das souverän über größere Steine rauscht und sich auch von einem flachen Flussbett nicht bremsen lässt. Glaubt man den Isländern, steht nach dem Crash mit dem Haus der Fabelwesen jetzt eine unglückliche Weiterfahrt bevor. Doch die neue GL-Klasse besteht den Elfentest. Der Spaß kippt nicht.

Und der GL bietet jenseits der geteerten und asphaltierten Straßen eine Menge Spaß. Schade nur, dass über 90 Prozent aller Fahrten in Europa eben nicht außerhalb der Zivilisation stattfinden. Doch hat irgendwer gesagt, das ein Auto immer nur vernünftig sein muss? Die GL-Klasse ist so herrlich unvernünftig. War und bleibt der ML noch etwas für Spielkinder, ist der größere und mächtigere GL was für richtig große Jungs. Ein bulliges Auto, mit dem man definitiv keinen Parkplatz in der Stadt findet und mit dem man an jeder Ecke Angst haben muss, einen abgebrochenen Außenspiegel zu hinterlassen. Aber egal. Im GL sitzt man so hoch, dass die flachen Autos am Straßenrand ohnehin nicht richtig zu sehen sind.

Der GL selbst dagegen ist nicht zu übersehen. Nicht nur die Gobline staunen, auch die Isländer werfen dem ersten Fullsize-Offroader von Mercedes bewundernde Blick hinterher. War der kleinere ML vorrangig für europäische Anforderungen ausgebaut, hat Mercedes die GL-Klasse eindeutig für den amerikanischen Markt abgerichtet. Dort hat er sich seit der Markteinführung schon auf Platz zwei in seinem Segment vorgearbeitet. Die Augen bleiben hängen am kantigen Äußeren, das ein wenig an die klassische G-Klasse von Mercedes erinnert und dennoch der runden Schönheit des ML ähnelt – wenn auch wesentlich stattlicher.

Herrlich, ein Auto für Angeber. Und für Träumer. Denn der GL hat eine riesige Ladefläche, wenn man die hinteren beiden Sitzbänke des Siebensitzers umklappt. Mit zwei Metern Länge und fast 1,80 Meter Breite ist der Laderaum großflächig wie ein Doppelbett. Man braucht kein Zelt mehr und auch kein Hotel. Einfach rausfahren in die Einsamkeit und die Schlafsäcke ausbreiten. Unter dem Sternenhimmel kommen einem noch einmal die gefährlichen Ecken in den Sinn, an denen die Kontrolle fast zu entgleiten schien. Doch der Offroader konnte sich immer wieder in die Spur ziehen. Bei allen Schweißausbrüchen der Art, der mittels noch so perfekter, serienmäßiger Klimaanlage nicht beizukommen ist, lag der GL erstaunlich ruhig auf der ruckeligen Straße. Ein Sicherheitsrisiko ist allenfalls der Fahrer, nicht das Auto. Tempo 80 auf der Sandpiste fühlen sich wie 50 an.

Je schlechter die Straße wird, desto mehr Spaß macht der GL. Das Vergnügen beginnt jedoch schon vor der schlechten Straße. Sollte auf der Strecke unerwartet ein Flusslauf auftauchen, lässt sich das Fahrzeug mit der Airmatic um einiges erhöhen. Ein Dreh am Knopf im Cockpit, und der Wagen hebt sich unmerklich Zentimeter um Zentimeter. Das Fahrwerk lässt sich in drei Stufen anheben und bekommt damit mehr Bodenfreiheit. In der höchsten Stufe sind das immerhin 307 Millimeter. Wenn dann immer noch das Wasser gegen den Boden spritzt, macht das überhaupt nichts. Der Unterboden wird durch Stahl geschützt. Wer den GL da nicht mit Tempo durchs Wasser jagt, ist selber schuld. Spezielle Offroadtechnik gibt dem Fahrer zusätzliche Bequemlichkeit und Sicherheit beim Fahren neben der Straße. Sie verleitet aber auch – zum riskanten Fahren. Nur der fehlende Handyempfang abseits der Straßen mahnt zu mehr Vorsicht.

Die Steine spritzen unten gegen den Stahl. Es rasselt, aber einen Schmerz spürt man im Ledersessel nicht. Der V8-Motor mit 388 PS im GL 500 treibt den Wagen über den lockeren Untergrund. Es ist der stärkste der vier verfügbaren Motoren. Mit diesem Motor gibt es nur wenige unüberwindbare Hindernisse. Der permanente Allradantrieb und das siebenstufige Automatikgetriebe quälen sich nicht über die Straße, sie schieben das Auto an. Gelegentlich schaukelt der Wagen zwar etwas durch die Gegend, aber das unwegsame Gelände nimmt er fast sportlich – ebenso sportlich, wie der GL nach Angaben von Mercedes einen leichteren Crash nehmen soll. Dafür jedenfalls soll die neue Stahlkonstruktion bürgen. Sie ist nicht auf den Rahmen aufgesetzt, sondern selbsttragend. Dadurch ist die Karosse leichter, bietet ein größeres Raumangebot und ist eben auch toleranter bei einem Aufprall. Das Raumangebot ist tatsächlich großzügig. Eingequetscht wird hier jedenfalls keiner der sieben Insassen.

Groß ist allerdings auch der Tank. Hundert Liter für ein bisschen Spaß. Die Größe hat seinen Grund, obwohl der Geländewagen mit mehr als 14 Litern Durchschnittsverbrauch bereits als einer der sparsameren Benziner seiner Klasse gelten darf. Ein Ökoauto aber ist er nun nicht gerade. Selbst der Diesel möchte mit durchschnittlich 9,6 Litern kräftig gestreichelt werden.

Viel Stärke und viele Stärken für ein Auto, dass in seiner einfachsten Form ab 63 684 Euro kostet und mit einem starken Motor schnell über 86 000 Euro steigt. Die einzige Schwachstelle liegt hinter dem Lenkrad versteckt. Und gerade diese heimliche Position macht den Blinker- und Wischerhebel unberechenbar. Jedenfalls für einen Neuling. Fast unsichtbar hinter dem Lenkrad liegt der Hebel, und damit verdecken Hände und Leder die Symbole. Die erste Kurve mit Blinklicht erzeugt schnell einen Schreck, wenn unerwartet Waschwasser auf die Scheibe spritzt.

Auch die Gobline haben sich noch einmal kurz erschreckt. Da musste die Scheibe vom auffliegenden Staub gesäubert werden, doch stattdessen ging der Blinker an. Aber der Wagen bog diesmal nicht wie angezeigt von der Straße ab. Die Elfenhäuser neben der Straße, sie stehen noch.

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