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Schule: Gefährliche Winzlinge

16-Jährige dürfen künftig Leichtmobile fahren. Im ADAC-Crashtest hat eines völlig versagt

In drei Tagen ist es so weit: Die neue Führerscheinklasse „S“ tritt in Kraft. Damit dürfen Jugendliche von 16 Jahren an so genannte Leichtmobile fahren. Im vergangenen Herbst hat der ADAC einen Crashtest mit diesen Gefährten unternommen – seither warnen Fachleute vor den Gefahren, in die sich die Insassen mancher dieser Fahrzeuge begeben.

Für den Test hatten die Prüfer in ihrem Technikzentrum in Landsberg/Lech ein Exemplar des Modells Albizia vom französischen Leichtmobil-Marktführer JDM mit 45 km/h auf einen stehenden Renault Twingo prallen lassen – also auch „nur“ auf einen Kleinwagen. Das hier gestellte Unfallszenario entspricht dem im Alltag am häufigsten vorkommenden: Jeweils die linken Hälften der Fahrzeuge stießen aufeinander („50 Prozent Überdeckung, seitlich versetzt“).

Die Folgen waren verheerend, berichtet Arnulf Thiemel, im Technikzentrum des ADAC unter anderem für französische Fahrzeuge zuständig. Leichtmobile dürfen nur 350 Kilo wiegen (maximales Leergewicht, fahrfähig), da gibt es nur wenig Spielraum für den Einbau von Knautschzonen. Die tragende Konstruktion konnte die Aufprallenergie nicht verzehren, die Fahrgastzelle riss auf, die Armaturentafel samt Lenkrad drang bis zu zehn Zentimeter tief in den Innenraum ein. Ähnliches geschah mit der vom Unfall deformierten Radaufhängung, mit dem Getriebe und dem Bremspedal.

Da überdies auch die Verankerungen der Sicherheitsgurte nachgaben und ihre Lage veränderten, schlug der Fahrer-Dummy beim Test mit Kopf und Brust kräftig auf die verformten Bauteile auf. Die Kopfstützen rissen aus ihren Halterungen, ein Stab der Stütze ragte zum Schluss ziemlich nahe an den Kopf des Fahrer-Dummies heran, sagt Thiemel. Zudem verzeichnet der Unfallbericht auch schwere Beeinträchtigungen für den Bereich von Ober- und Unterschenkel samt Knie. Dies gilt nicht nur für den am stärksten betroffenen Fahrer, sondern auch für das linke Bein des Beifahrers.

Damit nicht genug, es lösten sich auch andere Teile des Fahrzeugs aus ihrer Verankerung – der Auspuff und der Kraftstofftank. Beim Test war er nur mit Wasser befüllt, und das war gut so, denn die Flüssigkeit trat aus dem Behälter aus. Im Ernstfall hätte sich das Benzin unter ungünstigen Umständen entzünden können.

45 Kilometer pro Stunde, das entspricht der Höchstgeschwindigkeit dieser Gefährte, deren Motor nicht stärker als vier Kilowatt (rund sechs PS) ist. Der Hubraum wurde auf maximal 50 Kubikzentimeter festgelegt. Mit einem so niedrigen Höchsttempo dürfen die Leichtmobile zwar nicht auf Autobahnen und Kraftfahrzeugstraßen fahren. Dennoch dürften sich die Mobile möglicherweise zu einer erheblichen Gefahr für den Verkehr auf Stadt- und vor allem auf Landstraßen entwickeln. Denn für die Fahrer deutlich schneller herannahender Personenwagen sieht es dann so aus, als stünde ein anderes Auto mitten auf der Straße.

Auch etwas anderes stört Fachleute erheblich: Für die Leichtmobile gibt es keine technische Überwachung, sie ist bislang noch nicht vorgeschrieben. Es könnte also nicht lange dauern, bis sich die Gefahren durch Abnutzung und Korrosion der Mobile weiter erhöhen. Beim Neufahrzeug wirkten Material und Verarbeitung schon auf den ersten Blick „nicht sehr überzeugend“, berichtet der ADAC-Fachmann.

Der Automobilclub setzt sich jedenfalls dafür ein, dass die Bestimmungen geändert werden. Den jungen Leuten solle die Chance gegeben werden, ein richtiges Auto, auf 45 km/h gedrosselt, zu erwerben. Das hätte auch den Vorteil, dass das Fahrzeug nach Erwerb des Autoführerscheins entdrosselt weiter gefahren werden könnte. Schließlich kosten die Winzmobile zwischen 8000 und 12 000 Euro.

Eingeführt wurde die „S-Klasse“ auf Druck der EU, denn diesen Führerschein gibt es bereits im Ausland. Die Hersteller solcher Mobile sind in Brüssel vorstellig geworden und haben über Handelshemmnisse in Deutschland geklagt. Das Bundesverkehrsministerium musste einlenken, hat aber die Anforderungen für den Führerscheinerwerb hoch gesetzt – so hoch wie möglich, ohne erneut von der EU gerügt zu werden. Nun sind 14 Doppelstunden Theorie und eine 30-minütige praktische Prüfung vorgeschrieben.

Gideon Heimann

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