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Schule: Große Koalition

Die MZ 1000 ST ist eine gelungene Kombination aus Sportler und Tourer

Unentschlossenheit kann auch Spaß machen. Wer nicht weiß, ob er sich auf ein „Renntier“ quetschen oder altväterlich auf einem Tourer niederlassen soll, wird mitunter im Segment der „Tourensportler“ fündig – und da gibt es gerade Nachwuchs: Die kleine Schmiede in Sachsen hat etwas Neues zu bieten: Tusch und Vorhang auf für die MZ 1000 ST, mit feinem Instinkt aus dem vorhandenen Baukasten gestrickt.

Die unterkühlt elegante 1000 ST spannt den Piloten über den Tank und zwackt auf langer Strecke schon mal in den Kniekehlen. Hier setzten die Sachsen den Hebel an und bieten dank einer richtigen „Lenkstange“ und weiter vorn und tiefer angebauten Rasten eine Sitzposition zu der die Attribute „kommod“ aber auch „konzentriert“ passen. Dennoch sitzt hier niemand aufrecht im Wind. Die Verkleidung mit drei Zentimeter höherer Scheibe ist durchaus wirksam. Zur weiteren Verbesserung der Reisetauglichkeit wurde das Rahmenheck verstärkt. Gegen 500 Euro Aufpreis erhält der Kunden die MZ mit einem Rohrgepäckträger, samt zwei Koffern und einem stufenlos justierbaren Lenkungsdämpfer. Gepäckspezialist Krauser in München liefert den Träger samt den üppig-rundlichen Koffern, die sich auf der Trägerplatte auch als Topcase verwenden lassen. Clever gemacht und robust verarbeitet.

Ob man den Lenkungsdämpfer wirklich nötig hat, darf man bezweifeln. Aber das Fahrwerk der 1000er zu loben, hieße Eulen nach Athen tragen. Auch als scharf bewegter Tourer mit voller Zuladung spult der Sachsenblitz die Kilometer zielgenau und federleicht über die hochwertigen Lightcom-Räder ab. Das Zusammenwirken aller Fahrwerkskomponenten wird von der Konkurrenz in dieser Preis- und Hubraumklasse nicht erreicht. Auch auf Landstraßen unterster Ordnung erweist sich die „Emme“ als vorbildlich linientreu.

Dazu gibt es eine Bremsanlage mit bester Wirksamkeit und exzellenter Dosierbarkeit. Ein ABS gibt es auch gegen Aufpreis nicht, aber besser kann ein System ohne komplexe Regelelektronik sowieso nicht sein. Auch an Kleinigkeiten wurde gedacht. Platz für die Regenhose, Gepäckhaken und einstellbare Hebel erleichtern den Alltag, geregelte Katalysatoren das Gewissen.

Prüfstein für den Käufer bleibt das Triebwerk. Hier haben die Sachsen zur etwas geschmeidigeren Einheit der „nur“ 113 PS starken MZ 1000 SF gegriffen. Drehzahlen unter 2500 U/min gehen dem Gegenläufer nach wie vor zäh von der Welle, echte Fahrfreude bringt auch diese 1000er MZ erst nach dem Berliner Ortschild, wenn sie mit typischem Gegenläufer-Stakkato loslegen darf. Der große Zweizylinder ist kein Lämmchen und will bewusst gefahren und geschaltet werden. Doch das Fahrerlebnis überrascht Zweifler: In punkto Dynamik lässt diese Reisekatze kaum Wünsche offen. Eine Zeit von weniger als zehn Sekunden für den Zwischenspurt von 60 km/h auf 140 km/h im letzten Gang des Sextetts geht durchaus in Ordnung, in kleineren Gängen geht es noch rasanter. 238 km/h Spitze dürften wohl auch reichen.

Der Soziussitz wurde gegenüber den beiden anderen 1000ern von MZ verbessert. Doch nach wie vor sind die beiden Auspufftöpfe der Grund dafür, dass die Rasten für den Sozius im Hochparterre sitzen. Ebenfalls kein Ruhmesblatt bleibt der Verbrauch des Einspritzers, eine Sechs vor dem Komma ist die Minimallösung, stramm bewegt ist der 20 Liter-Tank nach 280 Kilometern leergesaugt.

Zu den 244 Kilo Eigengewicht dürfen weitere vier Zentner geladen werden. Für zwei korpulente Mitteleuropäer samt Gepäck könnten es ruhig etwas mehr sein. Tourenfreunde werden auch einen Hauptständer vermissen, immerhin gilt es eine Kette zu schmieren und zu spannen.

Auf der Habenseite glänzt die MZ mit langen Wartungsintervallen und Werkstattstunden sparender Bauweise. Zu den geringen Wartungskosten kommt ein niedriger Einstandspreis. In vollem Ornat sind 10 790 Euro plus Nebenkosten zu berappen. Wer auf die Koffer samt Halter verzichtet, kommt auf 10 290 Euro und kann noch Geld für Softbags anlegen. Die Option, weiter weg zu fahren, sollte man sich gönnen, macht die 1000 ST doch mit jedem Kilometer mehr Appetit auf schöne Stunden im Sattel.

Andy Schwietzer

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