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In Englisch spitze. Die Schüler Nikolas (li.) und Philipp.

© Doris Spiekermann-Klaas/ TSP

Gymnasium in Berlin Friedrichshain: Englisch-Erfolg durch Mathe und Physik

Das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Berlin hat ein mathematisch-naturwissenschafliches Profil – und gewinnt deshalb Englisch-Wettbewerbe.

Typen aus Texas, USA, sind natürlich die Höchststrafe. Leute, die Englisch reden, als hätten sie Kartoffeln im Mund. Leute, die man nur schwer versteht. Und wenn diese Typen dann auch noch über Themen aus der Physik oder Biologie reden, na, vielen Dank. Aber solche Typen waren auch dabei. Und die Schüler des Heinrich-Hertz-Gymnasiums mussten ihnen zuhören und dann schriftlich mitteilen, was sie über Kopfhörer gerade verstanden hatten. Es gab natürlich auch Leute zu hören, die verständlicher auf Englisch redeten, das waren die angenehmen Momente. Auch die Themen purzelten wild durcheinander. Biologie, Physik, Sport, Wetter, es konnte auch nur die Nachricht auf einem Anrufbeantworter sein.

Es musste schwierig sein, es ging ja um einen anspruchsvollen Wettbewerb. Und zu dem gehörte auch der Hörteil. Die anderen Aufgabengebiete: Leseverständnis und Grammatik. Gebündelt bildeten die Herausforderungen den Englisch-Sprachwettbewerb „Go4Goal 2016“, ein internationaler Test mit 114 Klassen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Großer Sieger: das Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain. Beste Schule insgesamt, die neunte, die elfte und die zwölfte Klasse Sieger in ihrer jeweiligen Jahrgangsstufe, vier Schüler erreichten jeweils das beste Ergebnis in ihrer Jahrgangsstufe. Nikolas und Philipp, zwei schlaksige Jugendliche zum Beispiel, sind Einzelsieger bei allen teilnehmenden neunten Klassen.

„Gerade wegen des mathematisch-naturwissenschaftlichen Profils.“

Das ist die beeindruckende Bilanz. Und zwar nur die für den Wettbewerb 2016. In den Jahren 2014 und 2015 hatten die Schüler aus dem wuchtigen, wilhelminischen Bau mit der sanierungsbedürftigen Fassade auch schon gewonnen.

Ausgerechnet das Hertz-Gymnasium, die Schule mit dem mathematisch-naturwissenschaftlichen Profil, die 15 Lehrer für Mathematik/Physik hat, aber nur sechs (und zwei Referendare) für Englisch. Ausgerechnet? Bärbel Cohaus sitzt in ihrem Büro im zweiten Stock und sagt: „Gerade wegen des mathematisch-naturwissenschaftlichen Profils.“

Mathematik und Englisch, Naturwissenschaft und Sprache, das verzahnt sich im Hertz-Gymnasium. „Mathematik wird in ihrer Bedeutung für die Gesellschaft unterschätzt“, sagt die Schulleiterin. Sie wird, auf den ersten Blick, auch in ihrer Bedeutung für die Sprach-Erfolge im Hertz-Gymnasium unterschätzt.

Mathematik ist mehr als Zahlen und Formeln

Aber wenn man Mathematik nicht bloß als sperrige Metapher für Zahlen, Formeln und Kurvendiskussionen betrachtet, dann versteht man, was Bärbel Cohaus meint. Wenn man Mathematik als ideale Trainingsform für analytisches Denken entdeckt, dann stößt man auf Antworten für diese Schulerfolge. „Wir fragen im Mathematikunterricht oft: Wie komme ich zur Lösung? Welche Wege können wir nehmen?“, sagt Bärbel Cohaus. „Die Schüler lernen, wie man zu den besten Ergebnissen kommt, sie lernen strukturell zu denken.“

Diese Denkweise überträgt sich auf andere Fächer. Gegenüber von Bärbel Cohaus sitzt Regine Becher, Englisch-Lehrerin und „Go4Goal“-Koordinatorin der Schule, und sagt: „Dieses Denken sehe ich auch bei mir im Unterricht. Ab Klasse sieben versuchen wir zu erklären, wie man mit Strukturen zur Lösung kommen kann.“ Grammatik verliert dann ihren abschreckenden Charakter. Regine Becher zeigt, wie man die richtige Version ableiten kann. „Das ist wie mit einer mathematischen Gleichung.“ Gut, Vokabeln muss man auswendig lernen, anders geht’s nicht, „aber ich mache denen relativ schnell klar, dass sie bei Grammatik mit Auswendig-Lernen nicht groß weiterkommen.“ Bei vielen grammatikalischen Varianten gebe es eine Grundformel.

Englisch ist Wissenschaftssprache

Das allein ist ja nun keine bahnbrechende neue Erkenntnis. Mit diesem Wissen allein gewinnt man auch nicht einen hochkarätigen Wettbewerb. Da muss ja schon noch mehr kommen. „Stimmt“, sagt Bärbel Cohaus. „Ein Punkt ist zum Beispiel, dass unsere Schüler sehr motiviert sind. Sie begeistern sich nicht bloß für naturwissenschaftliche Fächer, sondern auch für Kunst oder Musik.“ Das, sagt Regine Becher, „kann ich nur unterstreichen. Die spornen sich gegenseitig beim Lernen an.“ Die Englisch-Pädagogin beobachtet in der Mittelstufe, „dass viele Schüler in Pausen englische Bücher oder Zeitungen lesen. Nicht selten naturwissenschaftliche Zeitungen. „Wir regen so eine Lektüre auch an.“ Englisch ist Wissenschaftssprache, auch im Alltag des Heinrich-Hertz-Gymnasiums spielt dies eine Rolle.

Ein Informatiklehrer wollte in seinem Unterricht mit den Schülern eine bestimmte Aufgabe durchgehen. Deren Text war allerdings in Englisch aufgeschrieben. Um ganz sicher zu gehen, dass er alles richtig verstand, zeigte er Regine Becher die Aufgabe. Die gliederte den Text kurzerhand in ihren Unterricht ein. „Gib ihn mir“, sagte sie dem Kollegen, „ich gehe den mit den Schülern in meinen Stunden auch durch.“

Englischsprachige Filme und Serien tun ihr Übriges

Es gab auch diesen Schüler in der Oberstufe, der in Physik über Marsroboter referieren sollte. Stoff zum Thema gab es genug, im Internet zum Beispiel. Allerdings waren alle Texte auf Englisch. Eine Gelegenheit, den Stoff gleich doppelt zu verwerten. Also hielt der Schüler zwei Vorträge: einen in Physik, auf Deutsch, naturwissenschaftlich geprägt, einen auf Englisch zum gleichen Thema.

Auch englischsprachige Comics, Serien oder Spielfilme sind beliebt. „Viele Filme schauen sich unsere Schüler im Internet an“, sagt Regine Becher. „Und die Eltern fördern das.“

In der Oberstufe kommt zum analytischen Denken das differenzierte Argumentieren. Wenn Regine Becher den Schülern einen Artikel zum Durcharbeiten gibt, dann findet sie die Diskussionen darüber spannend. Alles auf Englisch natürlich. „Die haben gelernt, wie man so einen Text effektiv durcharbeitet. Und wie man über bestimmte Punkte argumentiert oder andere Argumente widerlegt. Das ist strukturiertes Denken, das machen sie auch in Mathematik.“

Die Erfolge sind ja gut und nett und Werbung für die Schule, aber wer ins Hertz-Gymnasium möchte, muss trotzdem vor allem in Mathematik fit sein. Das wird über Vor-Noten oder auch mit einem Aufnahmetest geprüft. „Wir haben mehr Anmeldungen als Plätze“, sagt Bärbel Cohaus, „aber wir sind nicht überlaufen.“ 18 Schüler hat sie bisher für die Klasse sieben abgelehnt, für die Klasse fünf läuft das Aufnahmeverfahren noch.

Den erfolgreichen Englisch-Schülern ist das ziemlich egal. Einige konzentrieren sich auf etwas ganz anderes. Den Preis als beste Schule bei Go4Goal reichte die Schulleitung an eine der siegreichen Klassen weiter. Der Preis ist beachtlich: Ein Ausflug in ein europäisches Land, vier Übernachtungen inklusive.

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