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Peter-Michael Rulff leitet die Ernst-Litfaß-Schule, Oberstufenzentrum für Druck- und Medientechnik.

© Chr. v. Polentz/transitfoto.de

Interview mit OSZ-Leiter: „Mehr Freiheit für die Berufsschulen“

Der Leiter des Oberstufenzentrums Ernst-Litfaß, Peter-Michael Rulff, über Geldnöte, die Konkurrenz der freien Träger und eine Endlosreform.

Die Zahl der privaten Berufsschulen hat sich in kurzer Zeit fast verdoppelt. Graben die den öffentlichen Berufsschulen das Wasser ab?

Noch nicht. Sie bescheren uns aber zusätzlichen Kontrollaufwand, da die Ausbildungsqualität deutlich schlechter ist. Die Verlierer dabei sind die Schüler der privaten Berufsschulen und deren Eltern, die dafür teuer bezahlen.

So schlecht können sie doch nicht sein. Immerhin werden sie so gut nachgefragt, dass die Senatorin die Neugründung von freien Berufsschulen erschweren möchte. Haben die öffentlichen Schulen diese Art von Fürsorge nötig?

Das mag in manchen Fällen nötig sein. Zu den freien Schulen möchte ich sagen: Geschäftemacherei zulasten der Jugendlichen lehne ich ab. Die Prüfungsergebnisse meiner Absolventen sind im direkten Vergleich messbar besser. Wenn Eltern sich dennoch für private Medienschulen entscheiden, werden sie andere Gründe haben. Für eine auskömmliche Ausstattung der Ernst-Litfaß-Schule ist der Senat jedenfalls fürsorglich verantwortlich.

Das Land ist offenbar nicht zufrieden mit dem Erscheinungsbild seiner Berufsschulen. Warum sonst würde er seit Jahren an einer Reform rumwerkeln? Woher kommt der Leidensdruck?

Ich sehe es umgekehrt. Nicht unbedingt das Land, sondern seine Schulverwaltung ist mit dem Status quo unzufrieden. Nur so erkläre ich mir das zehnjährige Rumwerkeln an einer Berufsschulreform. Das gute Erscheinungsbild der Oberstufenzentren verdeckt für die Öffentlichkeit dieses Gewürge.

Die Bildungsverwaltung erwägt – unterstützt von Direktoren –, alle Berufsschulen in einem neuen Landesinstitut zusammenzufassen. Was soll das bringen?

Eine Strukturreform alleine bringt wenig. Jede Reform muss aus der Sicht der Schüler bewertet werden. Meine These lautet: Nur in einer weitgehend eigenverantwortlichen und demokratisch verfassten Berliner Berufsschule kann dieser Qualitätsauftrag umgesetzt und verwirklicht werden. Wenn ein neues Landesinstitut dieses sicherstellt, ist es eine Option.

Dem Vernehmen nach gibt es in der Verwaltung Gegenwehr, obwohl der Vorschlag zur Institutsgründung in einem Papier der Verwaltung vorgeschlagen wurde. Sind da konkurrierende Kräfte am Werk?

Da fragen Sie besser die Verantwortlichen selbst. Aus meiner Sicht kann ich sagen: Gegenwehr kommt eher aus der Schulaufsicht. Schon 1997 hat der jetzige Abteilungsleiter Tom Stryck diese Gruppe als größten Bremsklotz für mehr Schulverantwortung geoutet. Wenn Entscheidungen dort fallen, wo die Aufgaben entstehen, nämlich in den Schulen, dann braucht es die Schulräte nur im Servicebereich. Aber 150 Jahre Sozialdemokratie sind immer noch der Meinung, dass sich Erfolg und Chancengleichheit nur zentral und von oben steuern lässt.

In der Koalitionsvereinbarung steht, dass alle Berufsschulen „Kompetenzzentren“ werden sollen. Was bedeutet das?

Kompetenzzentren sind Einrichtungen, die allgemeine Bildung und berufliche Qualifizierung im Kontext der regionalen Wirtschaft nachfrageorientiert und zielgruppengerecht in weitgehender Selbstständigkeit anbieten. Tatsächlich steht bereits seit langem im Schulgesetz, dass sich alle Oberstufenzentren zu Kompetenzzentren entwickeln sollen, aber die Steuerung dieses Prozesses ist ein Trauerspiel. Deshalb geht es nicht voran.

Ihre Ernst-Litfaß-Schule genießt einen vorzüglichen Ruf. Offenbar braucht man weder ein neues Institut noch das Label „Kompetenzzentrum“, um gut zu sein.

Den guten Ruf hat sich die Schulgemeinschaft möglicherweise auch trotz der oft lähmenden Fürsorglichkeit einer Schulverwaltung erarbeitet. Das Label „Kompetenzzentrum“ ist nach zehn Jahren Werkelei verbrannt.

Die GEW lehnt das neue Landesinstitut ab, weil damit Personalräte an Schulen verbunden wären. Was ist daran so schlecht?

Nichts! Die Beschäftigten der großen Oberstufenzentren könnten ihre konkreten Belange vor Ort viel besser vertreten. Der Hauptpersonalrat und ein Gesamtpersonalrat Berufsschulen können weiterhin die allgemeinen Standards sichern.

Die Berufsschulen müssen sehr viel investieren, um auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Gelingt der Wettlauf?

Zurzeit kaum. In den laufenden Haushaltsplanungen 2014/15 soll dieser Investitionstitel um 25 Prozent gekürzt werden. Im Durchschnitt stehen pro Schule damit – ohne IT – weniger als 9000 Euro zur Verfügung. Dafür gibt es keine Druckmaschine. Solange wir keine Anlagenbuchhaltung haben, ist die Investitionsplanung ein Roulette.

Eine Berufsschule wurde kürzlich gerüffelt, weil sie von einem Sponsor dringend benötigte Mikroskope als Geschenk angenommen hatte. Ist das Berliner Alltag – die Not und die Rüffel?

Not ja – Rüffel stecke ich im Interesse meiner Auszubildenden gerne ein. Den Fall selber kenne ich nicht.

Es gibt Wirtschaftszweige, die lieber ihre eigenen „privaten“ Berufsschulen gründen, weil sich die Berufsschultage dann besser in die betrieblichen Abläufe eintakten lassen. Sind die öffentlichen Berufsschulen nicht flexibel genug?

Einige Wirtschaftszweige würden die Berufsschulpflicht am liebsten abschaffen. Sie halten vom Dualen System nichts. Die meisten wissen sehr wohl, was sie an den öffentlichen Berufsschulen haben. Ganz Südeuropa will sich eine Scheibe von unserem System abschneiden. Bei größerer Eigenverantwortung lassen sich auch Lösungen zusammen mit unseren Kooperationspartnern finden.

Ihre Schule ist jetzt 30 Jahre alt. Was wünschen Sie sich vom Senat zum Geburtstag?

Eine neue Kombi-Falzmaschine. Für die 30 Jahre alte Maschine gibt es keine Ersatzteile mehr.

Das Gespräch führte Susanne Vieth-Entus.

Peter-Michael Rulff, 64, leitet die Ernst-Litfaß-Schule, eines der erfolgreichsten Oberstufenzentren Berlins. 2003 gründete er den Interessenverband der Berliner Berufsbildenden Schulleitungen.

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