zum Hauptinhalt
Schülerin Thuy-Tien beim Aufstieg an der Kletterwand.

© Lars Lucke

Kletter-Grundkurs: Immer an der Wand hoch

Am Charlottenburger Theodor-Heuss-Gymnasium können Schülerinnen und Schüler beim Klettern Punkte fürs Abitur sammeln. Und der Grundkurs stärkt nebenbei das Selbstvertrauen.

Aydan scheint die rund zehn Meter hohe Steilwand in der Kletterhalle Magic Mountain beinahe anstrengungslos hinaufzufliegen, doch am Ende dauert ihr Aufstieg eine halbe Sekunde zu lang. Sportlehrer Stefan Sinner lässt nicht mit sich verhandeln, immerhin geht es hier um fünfzehn Punkte im Grundkurs Sport. Aber die 18-jährige Schülerin des Theodor-Heuss-Gymnasiums in Charlottenburg ist ehrgeizig. Die Sportnote ist relevant fürs Abiturzeugnis, also startet sie einen zweiten Anlauf und schließlich ist die Kletterroute in 22,26 Sekunden bewältigt – die 15 Punkte sind ihr sicher.

Seit drei Jahren ist der Grundkurs Klettern fester Bestandteil des Lehrplans am Theodor-Heuss-Gymnasium. Damals war Stefan Sinner auf ein Programm der Industrie- und Handelskammer (IHK) aufmerksam geworden, mit dem Partnerschaften von Schulen mit Unternehmen gefördert werden. Der Grundgedanke: Schüler und Schülerinnen unterfüttern ihre Berufsorientierung mit Fakten, lernen den Wirtschaftsstandort Berlin besser kennen und beide Seiten profitieren von einem regen Austausch. Laut IHK werden aktuell in der Hauptstadt über 300 solche Partnerschaften gepflegt.

Die Idee einer Partnerschaft stieß bei Sinner und beim Geschäftsführer der Magic Mountain Kletterhallen GmbH, Eide Dücker, auf Begeisterung. Es begann mit Exkursionen des Leistungskurses Erdkunde zum Thema „Wirtschaftsstandort Berlin“. Daraus entwickelte sich dann die Idee des Klettergrundkurses, der unter Vorlage eines didaktischen Konzepts bei der Bildungsverwaltung realisiert wurde. Die Schüler und Schülerinnen zahlen einen Unkostenbeitrag für Ausrüstung und Eintritt, ein Klettertrainer wird von Magic Mountain gestellt und wer den Kurs erfolgreich abschließt, erhält den allgemeinen Kletterschein.

„Wir konnten 2009 den ersten und vermutlich einzigen Kletter-Grundkurs in Berlin anbieten“, erzählt Stefan Sinner. „Ich bin immer wieder überrascht, wie auch Schüler und Schülerinnen, die mit klassischen Sportarten Probleme haben, in der Kletterhalle aufblühen.“ Denn bei diesem Kurs geht es nicht nur um die Noten. Es geht darum, eigene Grenzbereiche kennenzulernen und neu zu definieren. Und es geht um Vertrauen. Selbstvertrauen auf der einen Seite, das mit jeder neuen Route, mit jedem Höhenmeter wächst. „Selbstvertrauen bekommen die Jugendlichen aber auch dadurch“, sagt der Sportlehrer, „dass sie als zuverlässiger Sicherungspartner gefragt sind.“ Die Botschaft ist angekommen. Wie aus einem Mund bestätigen Thuy-Tien, die gerade unterwegs nach oben ist, und Gülnur, die sie dabei sichert: „Am wichtigsten ist immer der Sicherer!“ Dann überprüfen die beiden einander noch einmal gegenseitig im Partner-Check, ob der Klettergurt richtig sitzt und die Knoten korrekt sind. Als Kletternder – nicht als Sichernder - Fehler machen zu dürfen, ist beim Kletterunterricht eine Grundvoraussetzung, nur so können die eigenen Grenzen verschoben werden. Darum gehören überraschende Fallübungen, die speziell beim sichernden Partner jederzeit höchste Konzentration erfordern, zu den ersten praktischen Übungseinheiten. Für die Notengebung relevant ist aus diesem Grund auch der gesamte Kurs, nicht nur eine ausgewiesene Prüfungssituation. Die Versuche, sich stetig zu verbessern – von der ersten bis zur letzten Kurseinheit – sollen bei jedem Teilnehmer honoriert werden. Nach drei Jahren erscheint die Partnerschaft zwischen dem Theodor-Heuss-Gymnasium und der Magic Mountain Kletterhallen GmbH als Erfolgsprojekt, das auch auf andere Schulen leicht zu übertragen wäre. „Es gibt freie Kapazitäten“, bestätigt Geschäftsführer Eide Dücker, „um weitere Schul-Partnerschaften aufzubauen“, und Stefan Sinner signalisiert, dass er bei Fragen zur Beantragung oder dem didaktischen Konzept weiterhelfen könne.

Lars Lucke

Zur Startseite