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Kunsthaus: Tacheles reden

Die Künstlergemeinschaft des Kunsthauses Tacheles in Mitte wehrt sich gegen Privatisierungspläne der Ruine. Widerstand mit Zukunft oder aussichtsloser Kampf? 

„ Ein Künstler, der mit seiner Kunst reich werden will, kommt nicht ins Tacheles“ sagt Linda Cerna,  Sprecherin des Kunsthauses Tacheles in Mitte. Die Ruine, die ehemals ein Kaufhaus war, bietet seit 1990 Künstlern die Möglichkeit, sich dort niederzulassen und ihrer Kunst nachzugehen. Seit Jahren ist ein Konflikt über die Beständigkeit der Ruine Begleiter der internationalen Künstlerkommune. Der Inhaber des Hauses nahm dem Kollektiv symbolisch einen Euro monatliche Miete ab. Ende 2008 lief dieser Mietvertrag aus und ein neuer kam nicht zu Stande. Nun ist das Kunsthaus Eigentum der HSH Nordbank . Im April 2011 war eine Zwangsversteigerung geplant, die kurzfristig wieder abgesagt wurde. Wie sieht die Zukunft des Tacheles aus? Und vor allem wie nehmen die Künstler diesen Konflikt wahr ?

Für die Räumung des Tacheles wurde durch einen Anwalt bereits vielen Künstlern Geld im Gegenzug ihres Verschwindens aus dem Kollektiv geboten. Drei Bildhauer sind dem Angebot nachgegangen und haben gegen Geld das Tacheles verlassen. Ebenfalls die Bar Zapata, in der man bis vor einigen Wochen noch lauten Rockkonzerten lauschen konnte, hat gegen angeblich eine Million Euro ihre Lokalität geräumt.

„Wenn man uns hier raus haben will, müssen uns die Polizisten schon selbst raus tragen!“  teilt die überzeugte Linda Cerna mit  , „denn im Tacheles geht es um weit mehr als Geld oder dekorative Kleinkunst. Es ist eine Lebenseinstellung, eine ganz eigene Mentalität, die hier ausgelebt wird. Hier wird nicht danach gegangen, welche Farben wohl am besten ins Wohnzimmer passen.“

Im obersten Geschoss befindet sich die Kunstwerke von Alex Rodin. Motiv über Motiv zieren die riesigen Leinwände. Verwirrende Bildkonstruktionen, die man länger betrachten muss, um in ihnen einen Sinn zu erkennen. Vielleicht würde man es sich tatsächlich nicht unbedingt ins Wohnzimmer hängen, aber die Bilder drücken etwas aus. Ein Kunstwerk zum Beispiel bildet ein Auge ab, in dem eine Uhr zu erkennen ist.

„Wer bereits Kunst studiert hat oder seine Werke in Galerien ausgestellt hat, hat hier weniger Chancen auf ein Atelier, als einer, der gerade mal intuitiv beschlossen hat, Künstler zu werden, denn der hat weniger Perspektiven als der fertige und erfolgreiche Künstler“, erklärt Linda Cerna, die trotz des ganzen Ärgers mit Anwälten und Zwangsverwaltern noch immer nicht aufgibt und von der Rettung des Tacheles vollkommen überzeugt ist.

Briefe an den Berliner Bürgermeister wurden verfasst, doch scheinen sie im Nichts verschwunden zu sein. „ Und Wowereits Wahlspruch heißt „Berlin verstehen“ ? “ fragt sich Linda Cerna, die sich über die Ignoranz der Regierung wundert. Denn auch auf die Demonstration am 9.Juli 2011 zum roten Rathaus wurde nicht reagiert.

"Sogar das Wasser haben sie uns abgestellt. Aber man muss sich eben in jeder Situation zu helfen wissen. Wir haben jetzt Regenwasserbehälter. Wasserleitungen brauchen wir nicht."  Immer wieder fällt der Künstlerkommune  etwas Neues ein, womit sie den Plänen der Privatisierung des Tacheles trotzen, denn sie haben eine ganz eigene Zukunft für das Kunsthaus geplant und die heißt kämpfen!

Das Tacheles ist Symbol für eine ganz neue Künstlergemeinschaft. Hier sind Menschen anzutreffen von jung bis alt, von deutsch über amerikanisch bis hin zu chinesisch, von Neuentdeckern bis hin zu regelmäßigen Tachelesgängern. „Hier haben Künstler die Chance, ihre Kunst ganz individuell ausleben zu können.“

Gerade auch für die Jugend in Berlin hat das Tacheles eine ganz eigene Bedeutung, da auch Kunst- und Kulturfremdlinge hier ihren Gefallen an der Kultur entdecken. „Soll man diese Art von Kommunikation zwischen Künstler und Betrachter , die besonders die Jugend von Berlin als bewundernswert empfindet wirklich zur Vergangenheit werden lassen?“ fragt sich Linda Cerna.

Die Ateliers auf dem Hinterhof des Tacheles  sind vom Zwangsverwalter mit einem drei Meter hohen Zaun umsäumt worden. Doch auch das sorgt nicht für negative Stimmung unter den Künstlern. Jeder ist in seine Arbeit vertieft und tobt sich an Skulpturen, auf Leinwänden oder Bildhauereien aus. Das einzige Problem: Eine Künstlerin braucht für die Eröffnung ihrer Ausstellung ein Piano. Wo könnte sie eines herbekommen? Andere Probleme scheinen sich in dieser doch so eigenen Künstlerwelt momentan nicht abzuzeichnen.

„Egal was kommt, wir bleiben und kämpfen.“ sagt Linda Cerna und ist sich ihrer Sache todsicher.

Dieser Text entstand im Rahmen der Tagesspiegel-Schülerakademie.

Francesca Kretschmer

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