zum Hauptinhalt

Kurz vor ACHT: Made in China: Lust auf Lernen

Auf Reisen in China hat sich unsereins oft an jenen Flüchtlingsjungen mit dunkler Hautfarbe erinnert, den seine Mitschüler in der Potsdamer Max-Dortu-Schule neugierig beäugten. In Peking ist das andersrum: Da erregt man als europäische Langnase Aufsehen, und alle lassen sich Arm in Arm mit einem fotografieren: Die Exotin und ich.

Auf Reisen in China hat sich unsereins oft an jenen Flüchtlingsjungen mit dunkler Hautfarbe erinnert, den seine Mitschüler in der Potsdamer Max-Dortu-Schule neugierig beäugten. In Peking ist das andersrum: Da erregt man als europäische Langnase Aufsehen, und alle lassen sich Arm in Arm mit einem fotografieren: Die Exotin und ich. Überhaupt schließt man in dem Land, in dem ein Fünftel der Menschheit lebt, mitunter schneller Freundschaften, als einem gerade lieb ist.

In Yangshuo etwa, drei Flugstunden südlich von Peking, ein beliebter Touristenort. Am Ufer des Li-Flusses möchte man eigentlich das Panorama mit Wasserbüffeln, Zuckerhut-Hügeln, Kormoranfischern und Bambusflößen genießen – doch dazu kommt man nicht: Ständig sprechen einen junge Frauen an. Die wollen einem aber nichts verkaufen oder einem als Guide die Gegend zeigen. Nein. Sie wollen nichts als Englisch lernen! „Please, can you talk to me? I want to practice my Englisch“, sagt eine nach der anderen. So einen Wunsch kann man doch nicht abschlagen. Also werden ein ums andere Mal Vokabeln vorgesprochen, die Aussprache geübt. Zum Abschluss zücken die Mädchen immer ihre Handykamera – und ihr Vokabelheft, in das man sich mit „Name“, „Country“, „E-Mail“ und „Hobbies“ eintragen möge. Die pauken tatsächlich in der Freizeit! Etwas anderes steckt nicht dahinter, Mails kommen nicht. Rucksackreisende werden sogar als Englischlehrer gesucht.

Da denkt unsereins wieder an zu Hause. Daran, dass schon fast die Hälfte aller Berliner unter 18 Jahren aus Migrantenfamilien stammen. Daran, dass viele junge Asiaten in Deutschland oder Kanada – siehe nebenstehender Text – ehrgeizig ihren Weg gehen, dass aber Bildungsexperten einen Großteil der türkisch- und arabischstämmigen Berliner verloren geben, weil ihnen Leistungsbereitschaft fehle. Ist der Bildungswille in Berlin geringer, weil der vergleichsweise hohe Lebensstandard verwöhnt und der Staat so vieles sozial abfedert? Die Chinesen sind Weltmeister im Kopieren. Bei der Lust auf Lernen sollten wir ihnen etwas abgucken. Annette Kögel

Annette Kögel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false