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Lehrerdemo: Der Klassenkampf

Für Grundschulkinder war während des Lehrerstreiks am Dienstag gesorgt – an Oberschulen gab es nach der vierten Stunde frei.

„Wir machen mit!“ Einen roten Button mit dieser Aufschrift haben sich die 19 streikenden Lehrer der Weddinger Mövensee-Grundschule schon vor einer Woche auf ihren Schrank geklebt. Knapp drei Viertel des gesamten Lehrerkollegiums mache ihre Truppe aus, sagt Lehrerin Viola Mocker. „Wir sind darauf gefasst, dass unsere Aktion Konsequenzen hat und Zöllner uns bestrafen will. Aber es gibt uns ein starkes Gefühl, dass viele von uns der gleichen Meinung sind.“

Wegen des Streiks hat Dilek Savumlu ihre Tochter heute schon nach der vierten Stunde anstatt um 16 Uhr an der Ganztagsschule abgeholt. Sie sei rechtzeitig von der Klassenlehrerin informiert worden und habe volles Verständnis für die Lehrer: „Jedem Berufstätigen muss erlaubt sein, für seine Rechte zu kämpfen.“

Das sehen auch viele Grundschullehrer so, die zur Demo in Mitte gekommen sind: Ein Lehrer von der Steglitz-Zehlendorfer Grundschule „Unter den Kastanien“ sagt, rund die Hälfte des Kollegiums streike, auch eine Lehrerin der Grundschule am Arkona-Platz in Prenzlauer Berg geht von der Hälfte aus. Die Versorgung der Kinder sei organisiert, sagen sie: Wenn die Eltern sie nicht abholen, würden andere Lehrer oder Erzieher einspringen.

Auch an Oberstufenzentren und vielen Oberschulen wie der Charlottenburger Friedensburg-Sekundarschule, dem Neuköllner Albert-Einstein-Gymnasium und der Rudower Clay-Sekundarschule fällt Unterricht aus: Auch hier, heißt es an der Clay-Schule, streike deutlich über die Hälfte der Kollegen, die eigentlich Unterricht hätten – rund 30. Dazu kämen noch einmal 30, die um diese Zeit frei haben. Die Schüler könnten heute eben früher nach Hause gehen.

Um fünf vor zwölf haben sich die Lehrer hier vor der Schule versammelt, um gemeinsam in Richtung Friedrichstraße zu fahren. Auf ihren Plakaten steht „Reduzierung der Pflichtstunden“ oder „Junge stärken, um Alte zu entlasten“. Viele hier, sagen die Lehrer, würden im Alter auf eigene Kosten ihre Stunden reduzieren – das bedeute, monatlich rund 1000 Euro weniger zu verdienen. „Aber die älteren schaffen es einfach nicht mehr“, sagt eine Lehrerin. „Die sind einfach fertig.“

Das ist auch immer wieder im Protestzug zu hören, der von der Friedrichstraße zum Alexanderplatz zieht. Mehrere tausend Lehrerkollegen aus Grundschulen, Oberschulen und Förderzentren sind gekommen. Viele von ihnen haben Angst, bald nicht mehr zu können – auch schon jüngere. „In meinem Lehrerzimmer sitzen 15 Kollegen“, sagt eine 27 Jahre alte Lehrerin. „Drei davon haben Burn-out“.

Die Bildungspolitik und die Reformen der vergangenen Jahre hätten zu immer höheren Belastungen geführt.  „Fürsorgepflicht, Herr Zöllner!“ steht auf einem Plakat, „Alte, Junge motzen, kotzen – alle klotzen“, auf einem anderen. Noch dazu, sagen viele, seien die Bedingungen in Berlin im Vergleich zu den anderen Bundesländern besonders schlecht.

Das verstehen auch die Eltern an der Weddinger Mövensee-Grundschule. „Wir haben zu wenige Lehrer und die älteren müssen länger arbeiten. Dass das belastend und frustrierend ist, ist klar“, sagt Helga Stadler, Großmutter eines Drittklässlers. Einige nutzen den Streiktag sogar auf ihre Weise: „Wie der Zufall es wollte, habe ich heute frei und wir fahren bei dem Wetter in einen Freizeitpark - wunderbar“, sagt Vater Dirk Schellhaas.

Hadija Haruna/ Patricia Hecht

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