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Schule: Licht, das um die Ecke scheint

Opel stattet Vectra und Signum schon bald mit dynamischem Kurvenlicht und Abbiegelicht aus

Es dämmerte bereits, als wie das Opel-Testgelände in Dudenhofen erreichten, um eine Probefahrt der ganz besonderen Art zu machen. Denn nicht das Auto stand dabei im Mittelpunkt, sondern seine Scheinwerfer. Und deshalb war es nötig, so lange zu warten, bis das gesamte Areal im völligen Dunkel versank. Gelegenheit, sich noch einmal kurz mit einigen theoretischen Fragen der Fahrzeugbeleuchtung vertraut zu machen, die derzeit vor einem gewaltigen Technologiesprung steht. Denn nachdem Audi bei der neuen Generation des Audi A8 bereits das Abbiegelicht eingeführt hat, wird Opel schon im nächsten Jahr mit dem dynamischen Fahrlicht antreten. Und zwar kombiniert mit dem Abbiegelicht. Und das nicht etwa in der gehobenen oder Top-Klasse, in der auch Mercedes-Benz, BMW und andere Hersteller mit dieser Technik auf den Markt kommen werden, sondern in der kompakten Mittelklasse – bei Autos für jedermann also.

Von Scheinwerfern, die um die Ecke leuchten ist die Rede. Da muss man mit den Begriffen allerdings ein wenig aufpassen. Denn um die Ecke „biegen“ lässt sich ein Lichtstrahl beim besten Willen nicht – das verbieten die Gesetze der Physik. Aber der Scheinwerfer, der lässt sich problemlos drehen. Und genau das geschieht auch. Sobald man bei einem Auto mit dem neuartigen dynamischen Fahrlicht oder Adaptive Forward Lighting (AFL) die Lenkung einschlägt und eine Kurve ansteuert, wird eine Mechanik aktiviert, die den Scheinwerfer in Kurvenrichtung horizontal verdreht – um bis zu maximal 15 Grad. Mit einem verblüffenden Effekt. Denn als Fahrer sieht man nun Dinge im Scheinwerferlicht, die bei den üblichen streng geradeaus blickenden Frontleuchten einfach nicht erkennbar sind oder aber erst so spät, dass die Zeit für eine angemessene Reaktion oft nicht mehr reicht.

Und das ist einer der wichtigsten Gründe dafür, dass mehr als 40 Prozent aller Unfälle mit tödlichem Ausgang bei Nacht geschehen - obwohl das Verkehrsaufkommen bei Dunkelheit um 80 Prozent geringer ist als am Tag. Die Sicht bei Nacht zu verbessern ist deshalb ein Ziel, das höchste Priorität hat Lange hat sich die Lichttechnik dabei darauf konzentriert, die Lichtquellen selbst zu verbessern. Und auf dem Weg von der Kerze über Azetylenlicht und die verschiedenen Formen elektrischer Lampen bis zu Halogenlampen und den hochmodernen Gasentladungslampen – dem so genannten Xenon-Licht – ist man inzwischen an einem Punkt angelangt, an dem eine Erhöhung der Lichtstärke nicht mehr möglich ist. Nun geht es darum, das Licht optimal dorthin zu lenken, wo es vom Fahrer tatsächlich gebraucht wird. Und dieses Ziel erreicht man mit beweglichen Scheinwerfern, die dem tatsächlichen Straßenverlauf folgen.

So neu das auf den ersten Blick zu sein scheint – solche Techniken sind älter, als viele glauben. Vielen ist sicher noch der Citroën DS in Erinnerung, der schon in den 60ern mit beweglichem Fernlicht ausgestattet war. Doch das erste Fahrzeug mit beweglichen Scheinwerfern rollte bereits 1918 - ein Cadillac. 1935 brachte Tatra einen Wagen mit beweglichem Mittelscheinwerfer heraus und 1948 gab es bewegliche Scheinwerfer bei einem Tucker, der aber nie in Serie ging.

Doch wenn auch das Prinzip nicht neu ist – die heute verwendete aufwändige Mechanik und ihre elektronische Steuerung ist es. Und beides stellt sicher, dass die Systeme auch zuverlässig funktionieren – das galt für die Technik früherer Jahrzehnte nicht.

Besonderes beeindruckend bei nächtlichen Probekilometern mit AFL war das so genannte Kurvenlicht. Selbst bei der Fahrt mit Abblendlicht konnten wir den Kurvenverlauf weit voraus so deutlich erkennen, wie das mit dem starr nach vorn scheinenden konventionellen Licht einfach nicht möglich ist. Und auch Hindernisse am Straßenrand waren so früh erkennbar, dass noch ausreichend Zeit zum Reagieren blieb. Kein Wunder, wenn man sich klar macht, dass herkömmliches Abblendlicht in einer Kurve gerade einmal 30 Meter vor dem Fahrzeug ausleuchtet, während mit dem beweglichen Kurvenlicht 25 Meter dazu kommen – vom Fernlicht ganz zu schweigen. So erreicht man mit dem beweglichem Kurvenlicht insgesamt eine um 90 Prozent bessere Ausleuchtung von Kurven – und das schafft ein völlig neues Fahrgefühl, das man schon nach kurzer Zeit nicht mehr missen möchte.

Doch AFL, wie es von Opel im nächsten Sommer beim Vectra und beim Signum eingeführt wird, kann noch mehr. Denn die neuen Scheinwerfer strahlen zusätzlich ein so genanntes Abbiegelicht ab. Das kommt von einem zusätzlichen festen Reflektor mit zusätzlicher Lampe und leuchtet im rechten Winkel zur Fahrtrichtung das Gelände bis zu einer Entfernung von 30 Meter aus. Aktiviert wird dieses Abbiegelicht bei Geschwindigkeiten bis zu 50 km/h abhängig von der Blinkerstellung und dem Lenkeinschlag. Wer beim Abbiegen schon einmal eine Verkehrsinsel, einen Poller oder auch einen Fußgänger zu spät erkannt hat, lernt schnell dieses Zusatzlicht zu schätzen. Und besonders praktisch ist es, wenn es beim Einparken als „Parklicht“ auf beiden Seiten des Fahrzeugs aktiviert wird.

Das Abbiegelicht arbeitet mit einer konventionellen Glühlampe und wird beim Einschalten gedimmt, so dass es den Fahrer nicht erschreckt und die Augen nicht überfordert. Das Kurvenlicht dagegen setzt auf die so genannte Bi-Xenon-Technik. Die hier eingesetzten Gasentladungslampen erzeugen einen Lichtstrom, der dem Doppelten bis Dreifachen von H7-Halogenlampen entspricht. Das erlaubt eine wesentlich tiefere und breitere Ausleuchtung der Fahrbahn. Positiv aus Sicht des Fahrers ist außerdem, dass dieses Licht aufgrund seiner höheren Farbtemperatur dem gewohnten Tageslicht sehr ähnlich ist. Allerdings muss bei so viel Licht auch darauf geachtet werden, dass Autos mit Xenon-Licht den Gegenverkehr nicht blenden – deshalb sind alle Fahrzeuge mit Xenon-Licht mit einer automatischen Leuchtweitenregulierung ausgestattet.

Diese Technik ermöglicht für AFL bei Opel eine interessante Zusatzfunktion. Denn bei schneller Autobahnfahrt mit Geschwindigkeiten von mehr als Tempo 120 auf gerader Strecke wird das Abblendlicht automatisch ein wenig höher eingestellt, so dass die Fernsicht verbessert wird, ohne dass für den Gegenverkehr Gefahr besteht, geblendet zu werden. Übrigens darf der Begriff Bi-Xenon nicht zu den Trugschluss verleiten, in jedem Scheinwerfer arbeiteten zwei Xenon-Lampen. Denn Abblend- und Fernlicht werden bei dieser Technik mit einer einzigen Lichtquelle erzeugt. Zu Umschalten wird lediglich eine Blende im Strahlengang verschoben.

Mit dem dynamischen Fahrlicht macht die Beleuchtungstechnik im Auto einen gewaltigen Sprung nach vorn. Aber schon zeichnet sich die nächste Etappe ab. Denn schon experimentieren Autohersteller und ihre Zulieferer mit Lichtsystemen, die sich automatisch der jeweiligen Fahrsituation anpassen können. So könnten neben das Abbiegelicht und das Autobahnlicht ein spezielles Stadtlicht und und ein Schlechtwetterlicht treten, das Blendungen auf nassen Fahrbahnen vermindert. Und denkbar ist, das die Scheinwerferverstellung mit den Daten eines Navigationssystems verknüpft wird, so dass eine Kurve vorausschauend ausgeleuchtet werden kann, weil das System sie bereits kennt. Erprobt werden auch schon so genannte Infrarot-Laser-Scheinwerfer, mit denen man bei Dunkelheit bis zu150 Meter vorausblicken kann – die Revolution der Lichttechnik hat mit AFL also gerade erst begonnen.

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