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Schule: Mach’ mir den Elch

Nach dem Facelift überzeugen Opel Vectra und Signum sowohl optisch als auch technisch

Von Sabine Beikler

Boah ey, kennen Sie den? Ein Opel-Besitzer an der Tankstelle zum Tankwart: „Für meinen Opel hätte ich gern zwei Scheibenwischer.“ Sagt der Tankwart: „Okay, das ist ein fairer Tausch.“ Vor ihrem ersten Opel-Test konnte sich die blonde Autorin gewisser Hintergedanken über Opel-Witze, prollige Manta-Fahrer, Blondinen (!), die Familienkutsche Ascona und das Klischee vom Vectra-fahrenden Senior mit Hut nicht erwehren. Über dieses altbackene Image waren auch die Rüsselsheimer unglücklich. Zwar gewann der seit 2002 in dritter Generation gebaute Vectra diverse Vergleichstests in der Mittelklasse, aber gegen die Konkurrenz kam er nicht wirklich an. Auf die sinkenden Verkaufszahlen – 2003 wurden 51 000 Vectra und Signum in Deutschland verkauft, 2005 rechnet man mit 41 000 – musste Opel reagieren: Nach einem Facelift geben sich Vectra und Signum rundum aufgefrischt. Die neue Frontpartie ist sportlich, schnittig, dynamisch. Und vor dem „Elchtest“ brauchen sich die ab dem 17. September erhältlichen Autos, die überdies mit einem brandneuen 2.8-V6-Turbo zu bestellen sind, überhaupt nicht zu fürchten.

Zum Zusammenspiel von „Dynamik und Emotion“, wie Chefingenieur Rainer Schmidt bei der Präsentation auf der Teststrecke in Dudenhofen sagte, gehören die über die Seiten in die Haube hineingezogenen Scheinwerfer mit ihren zylinderförmigen, chromfarbenen Leuchten. Wie eine Mischung aus dem „Löwenmaul“ eines Peugeot und einem Mercedes schauen sie aus. Der breite Grill wird von einer markanten Chromspange dominiert. Geblieben ist die „Denkerstirn“, die Opel-typische „Bügelfalte“ auf der Motorhaube, die mit den neu geformten Kotflügeln harmoniert. Der Vectra scheint sich über sein neues Outfit zu freuen: Er strahlt über das ganze Gesicht.

Mit diesem Dauergrinser geht es in Dudenhofen zunächst über den „Comfort- und Noisetrack“: Mühelos meistert er Kanalabdeckungen, Spurrillen oder rauen Asphalt. Nur beim schnelleren Fahren über Kuppen überkommt einen das Gefühl, der Wagen könnte durchschlagen. Doch nichts gegen die Opel-Technik: Neben ESP haben die Modelle das empfehlenswerte, optionale IDS-Fahrwerk (Interaktives Dynamisches Fahrsystem), das mit einer Dämpferregelung CDC (Continuous Damping Control) elektronisch vernetzt ist. Bei den überarbeiteten Modellen sind Vorder- und Hinterachse neu abgestimmt und die Lenkung präzisiert worden. Man merkt’s.

Als der Profi-Testfahrer den Vectra im extremen Slalom um die Pylonen jagt, bleibt der Beifahrerin fast das Herz stehen. Eine scharfe Kurve – dann geht’s zum „Elch“: durch eine Hütchenreihe, scharf links, durch eine weitere Reihe Hütchen geradeaus, scharf rechts und wieder geradeaus. Die Tester fahren das locker mit 70 km/h, ohne eine Pylone umzufahren. Ein Kollege und ich schafften es mit 60 km/h – und mussten jeweils nur ein Hütchen wieder aufstellen. Drückt man bei extremer Fahrweise zusätzlich noch die „Sport“-Taste, reagiert die Lenkung spürbar direkter. Am liebsten hätten wir noch Stunden mit dem „Elch“, Slalomfahrten oder einem (heimlichen) Abstecher auf die Hochgeschwindigkeitsbahn verbracht…

Aber nicht nur durch ausgefeilte Technik will Opel mit Vectra und Signum gegen VW Passat, Mercedes C, Fünfer-BMW, Ford Mondeo, Audi A 4 oder Skoda Oktavia bestehen. „Hochwertig anmuten“ soll laut Chefdesigner Eduardo Ramirez-Carcamo auch das neue Interieur. Abgerundete Lüftungsdüsen, chromfarbene Instrumente und viel Show: Dekorleisten in Holz- oder Aluminiumoptik, farbiger Kunststoff also, und die Armatur im „Lederstil“, wie die neue Narbung heißt. Aber die potthässlichen Schalter am Lenkrad, die wie riesige Klötze aus der Duplo-Legoserie für die ganz Kleinen aussehen, haben mit „hochwertiger Anmutung“ nicht viel zu tun.

Solche Design-Missgeschicke müssen die Mitfahrer im Fond zum Glück nicht sehen. Sie sitzen im 4,61 Meter langen Vectra komfortabel – und königlich im 4,65 Meter langen Signum, einer Mischung aus sportlichem Coupé und Kombi. Hier ist Platz ohne Ende. Durch das Flex-Space-System lassen sich die Sitze nach vorn und hinten verschieben. Hat man noch den „Travel Assistant“ neben sich, fühlt man sich wie im Flugzeug. Der „Reisebegleiter“ ist eine Box, die auf dem mittleren Sitz montiert werden kann. Ihr Inhalt: Kühlbox, DVD-Halterung, Radio, Getränkehalter, 12-Volt-Anschlüsse und zwei herausklappbare Tischchen.

Blitzschnell lässt sich der Signum in einen richtigen Lademeister verwandeln. Klappt man die Lehnen der Rücksitze nach vorn, entsteht eine völlig ebene Ladefläche. Das Gepäckabteil fasst so bis zu 1410 Liter.

Der Vectra wird als Stufen- und Fließhecklimousine sowie als 22 Zentimeter längerer Caravan angeboten. Beim Caravan mit über 1800 Liter Ladevolumen lässt sich der Kofferraum elektrisch öffnen und schließen. Aber bei der Vectra-Limousine? Dafür braucht es Krafttraining. Und Menschen unter 1,70 Meter kommen nur mit Luftsprüngen an die geöffnete Heckklappe heran.

Opel bietet für die Modellreihe fünf Benziner mit 1,6- bis 2,8-Liter-Maschinen und vier 1,9- bis 3,0-Liter-Dieselmotoren mit serienmäßigem Rußpartikelfilter an. Der neue 2.8-V6-Turbo ist ein echter Sportler. Der bisher schnellste Vectra schafft dank 169 kW (230 PS) den Spurt von 0 auf 100 km/h in 7,3 Sekunden. Der „Fahrspaß“ mit automatisiertem Sechsganggetriebe hört bei abgeregelten 250 km/h auf. Der neue 3.0 V6 CDTI Diesel mit 135 kW (184 PS) und maximal 400 Nm enttäuscht im unteren Drehzahlbereich. Der Selbstzünder entfaltet seine Kraft erst richtig ab einer Geschwindigkeit von 150 km/h. Der Durchschnittsverbrauch des Turbo-Benziners soll bei 10,3 Liter Super auf 100 Kilometer liegen. 6,9 Liter sind für den 3.0-Diesel angegeben.

Stolz sind die Rüsselsheimer auch auf einen belüftbaren Fahrersitz, ein Extra für 1500 Euro. Der Sitz erhielt das AGR-Gütesiegel der „Aktion Gesunder Rücken“. Für den neuen Opel müsste der Tankwart neben zwei Scheibenwischern mindestens noch einen Fuchsschwanz drauflegen.

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