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Schule: Pack’ die Winterstiefel ein: Eine Schülerin fährt ins ewige Eis

Die 16-jährige Louise Willneff nimmt an der Cape-Farewell-Expedition teil

Von Sandra Dassler

Am Ende hat sie doch keinen Seesack gekauft. Er war zu sperrig, zu schwer für die zierliche Sechzehnjährige. Und jetzt hat Louise Willneff nur eine Sorge: Darf sie den großen schwarzen Koffer, der ihr bis zur Hüfte reicht, mit an Bord der „Akademik Shokalskiy“ nehmen?

„Zur Not packst Du eben um“, hat ihre Mutter gesagt, als sie vor ein paar Tagen den Koffer füllten: mit Büchern, Tabletten gegen Seekrankheit und mit den dicken Klamotten. War gar nicht so einfach, im Hochsommer gute Winterstiefel zu bekommen und Thermo-Unterwäsche. Aber ein Berliner Verkäufer durchwühlte extra die alten Bestände, als er hörte, worum es geht.

Am Sonntag wird Louise mit dem russischen Forschungsschiff von Island aus zu einer Expedition ins ewige Eis starten. Gestern, als für ihre Klassenkameraden am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium Eberswalde wieder die Schule begann, saß sie im Flieger nach Toronto. Dort werden 28 Jugendliche aus Kanada, Brasilien, Indien, Mexiko, Großbritannien und Irland auf das Abenteuer vorbereitet. Louise und ein Schüler aus Niedersachsen sind die deutschen Teilnehmer der Cape-Farewell-Jugendexpedition, organisiert vom British Council.

Die Akademik Shokalskiy fährt an der Südspitze Grönlands vorbei zur kanadischen Küste und dort über den Polarkreis. Die Schüler sollen unter Anleitung erfahrener Mentoren wissenschaftliche und künstlerische Projekte in der Arktis durchführen. „Wir werden wahrscheinlich mit Schlauchbooten an Eisschollen entlang- fahren, Wasser- und Planktonproben nehmen und Filme drehen“, sagt Louise.

So genau weiß sie noch nicht, was alles geplant ist – nur, dass sie während der zweiwöchigen Reise ständig mit ihrer Schule in Verbindung bleiben soll. Schließlich geht es bei dem Projekt darum, auf das globale Ausmaß des Klimawandels aufmerksam zu machen. „Viele denken bei Arktis und Klimawandel an Knut und die Bedrohung der Eisbären durch schmelzende Eisschollen“, sagt Louise. „Und dass man dagegen nichts machen kann. Aber das stimmt nicht.“

Die Schülerin muss es wissen. Schließlich wurde sie, als sich ihr Gymnasium für die Teilnahme an der Expedition bewarb, nach einem Workshop in das „Green Team“ gewählt. Das waren fünf Mädchen und Jungen, die überlegten, wie man das Thema Umweltschutz anderen Schülern und auch schon Kindergartenkindern nahe bringen kann. Louise hat dabei gelernt, wie man ein ernstes Thema spielerisch vermittelt. Durch Pantomime zum Beispiel. „Vernichtung des Regenwalds“ sollten die Schüler darstellen. Es sei komisch und beklemmend zugleich gewesen, wie ihre Mitschüler als lustige Affen herumhüpften und dann die Köpfe hängen ließen, als die Kettensäge kam.

Den letzten Schultag vor den Sommerferien rief das Green-Team zum „Green Day“ aus. Jeder sollte so umweltschonend wie möglich, ohne Auto oder Moped, zur Schule kommen. Die Klasse mit den meisten Öko-Kilometern gewann. Außerdem trugen alle Schüler T-Shirts in der Farbe der Natur und der Hoffnung. So grün war Eberswalde noch nie.

Aber nur einer aus dem Team wurde schließlich von der Jury des British Council ausgewählt. Louise freute sich sehr, hatte aber auch ein schlechtes Gewissen den anderen gegenüber.Doch die gratulierten ihr tapfer, versprachen, sie zu unterstützen. Ihr Schulleiter hat sie zur „Botschafterin des Barnim“ ernannt. Louise soll den Menschen in Kanada, Island und Grönland von den Windrädern und Solaranlagen in ihrer Heimat erzählen. Und von dem neuen ökologischen Verwaltungszentrum in Eberswalde, das mit einem Drittel der normalerweise notwendigen Energie auskommt.

Am meisten ist Louise auf die anderen Teilnehmer gespannt, sagt sie. Vielleicht teilt sie die Kabine mit einer Inderin. Und ob wohl ihr Englisch auch für außergewöhnliche Situationen ausreicht? Am 22. September wird die Akademik Shokalskiy im kanadischen Iqualuit anlegen. Bis dahin werden Louise Willneff und die anderen die Schönheit der Arktis bewundern können. Aber auch zugleich erfahren, wie bedroht sie ist. Sandra Dassler

Louise Willneff wird auf den nächsten Schulseiten über die Cape Farewell Youth Expedition berichten. Wer möchte, kann unter www.capefarewell.ca live dabei sein

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