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Letzte Runde. Zur Feier des Abiturs gehören eine Party, ein Ball und eine Reise – meistens kommerziell organisiert.

© picture alliance / dpa

Party zum Abschluss der Schule: Abiturfeier in Kreuzberg: Schön war die Zeit

Abizeit ist Stresszeit: Nicht nur bei den Prüfungen, sondern auch bei den Partys danach. Am Ende tanzen alle gemeinsam, und die Eltern seufzen. Eindrücke von einer Kreuzberger Abiturfeier.

„Aus! Aus! Aus!“ Die Schule ist aus, für die meisten Berliner Schüler zumindest sechs Wochen lang. Andere haben es ganz geschafft und sind fix und fertig. Sie haben das Abitur bestanden und werden jetzt „ins Leben entlassen“, wie es die Direktorin des Leibniz-Gymnasiums in Kreuzberg formuliert. Auf der Abitur-Verleihung werden 95 Schülerinnen und Schüler verabschiedet. Eltern und Lehrer, Angehörige und Freunde füllen die Aula am Marheinekeplatz. Man hat sich mit Kreuzberger Understatement schick gemacht: Sommerkleider und Jacketts, hier und dort sogar ein Schlips. Der Deutschlehrer hält eine launige Rede, topaktuell im generischen Femininum: „Wir Lehrerinnen sind stolz auf Euch Schülerinnen!“ Die Rede der Abiturienten eilt durch die Weltgeschichte der letzten zwölf Jahre: Merkel ist Kanzlerin geworden, Amy Winehouse ist gestorben, und sie sind von ahnungslosen Erstklässlern zu gestressten Abiturienten gereift. Sie plädieren für die alte elfte Klasse als Orientierungszeit, jetzt sei die Schulzeit zu kurz. Einige sind trotz Abiturs noch nicht einmal volljährig.

Der Deutschlehrer, der schon viele Jahrgänge erlebt hat, findet diese Schülergeneration „schwer in Ordnung“. Alle seien Digital Natives, aufgewachsen mit dem Internet, aber auch geerdet, vielseitig interessiert und sozial kompetent. Die Zeit der heftigen Generationskonflikte ist vorbei. Auf dem Schulhof gibt es Umarmungen, auch mit Lehrern. Und gleich geht es weiter zur Party.

Abizeit ist Stresszeit. Nicht nur vor und während der Prüfungen, sondern auch danach. In den Motto-Wochen sind sie als Zuhälter und Nutte, als Zombie und Killer durch die Klassen gezogen. Beim Abistreich haben sie die Lehrer entführt und zu Spielen gezwungen, über die niemand mehr sprechen möchte. Gleich steht noch die Abiparty an. Und die mittlerweile obligatorische Abifahrt; die einen nach Korfu, die anderen nach Usedom.

Jetzt aber kommen die Abiturienten unter Beifall einzeln auf die Bühne, um ihr Zeugnis entgegenzunehmen. Dazu Musik: Hiphop bei den Jungs, Cat Stevens bei den Mädchen. Eingeblendet werden Kinderbilder mit Schultüte und Zahnlücke. Die Eltern seufzen: Schön war die Zeit, und so schnell vergangen. Auch für sie geht eine Epoche zur Neige.

Die Organisation von Abiturpartys wird mittlerweile von Agenturen übernommen. Sie suchen das Lokal aus, kalkulieren das Essen, drucken die Karten, schicken den DJ. Das entlastet die Abiturienten, kann aber auch zu Veranstaltungen führen, denen der Kommerz anzumerken ist. Die Feiermeute wird ans Buffet geleitet. Noch eine kleine Ansprache eines Schülers, der allen Eltern seine Hochachtung zollt, dass sie ihr Abitur ohne Google und Wikipedia bewältigt haben. Dann Musik: zwei Walzer, bei denen die älteren Herrschaften die Tanzfläche dominieren. Weiter geht's mit Whitney Houston, Madonna, Prince, und nun mischt sich Jung und Alt. Bei Eminem und Gangnam Style sind die alten Leute abgehängt, sitzen still und grauhaarig an ihren Tischen und denken an die früheren Zeiten. Johannes Groschupf

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