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POSITION: Die Schulreform braucht einen breiten Konsens

Der große Wurf kann nur gelingen, wenn alle Akteure mitziehen

Zu Beginn des neuen Schuljahres hatte Berlins Bildungssenator Jürgen Zöllner einen Vorschlag zur Reform der Schulstruktur vorgelegt, der in mehreren Jahren nur noch zwei Schulformen in der Sekundarstufe vorsieht. Mittlerweile ist die ursprüngliche Einführung in zwei Stufen – zunächst Zusammenfassung nur von Haupt- und Realschulen – vom Tisch, und der Prozess soll gleich im großen Wurf erfolgen. Auch dies macht Sinn. Allerdings ist für das Gelingen einer solchen Reform die Gestaltung des Prozesses ebenso wichtig wie die zu erreichenden Ziele. In Berlin folgen auf Vorschläge zur Veränderung – wie auch hier – typische Reaktionen. Neben denen: „Er geht nicht weit genug“ wird gerne gemeckert: „Es ist schon wieder etwas von oben entschieden worden, ohne mich zu fragen“ und „Meine Schule muss in jedem Fall erhalten bleiben!“

Die beiden letzten machen gleichermaßen eine Haltung sichtbar: Die Beteiligten begreifen sich nicht als aktiver Teil eines Prozesses, der von ihnen mit zu gestalten ist. In dem einen Fall wird der Vorschlag nicht als Einladung zur Diskussion verstanden, sondern als schon verordnet und diktiert, im anderen mangelt es an der Bereitschaft, sich konstruktiv auf die Veränderung einzulassen. Viele Schulen in Berlin haben in den letzten Jahren viele und gute Reformanstrengungen unternommen. Trotzdem sollten sie bereit sein, ihre Kompetenzen in die neuen Schulen einzubringen.

Eine Schulreform solch strategischer Größenordnung erfordert einen wohl überlegten Prozess, der möglichst viele Akteure einbezieht. Er funktioniert nicht vom grünen Senatstisch mit einer kleinen Planungsgruppe, sondern die Veränderungen müssen in den Regionen unter möglichst großer Beteiligung von Schulen, auch der Eltern und Schüler und den bezirklich Zuständigen diskutiert werden können. Die vorgeschlagene Strukturreform braucht einen Lernprozess in Sachen demokratischer Teilhabe von allen Akteuren. Und dies bedarf einer professionellen Steuerung und Moderation. Die Hamburger Regionalkonferenzen sind ein solcher Versuch; in 20 Regionen werden die beteiligten Schulen in den Planungsprozess einbezogen.

In einem solchen Prozess geht Partizipation vor Schnelligkeit. Es bedarf klarer Rahmenvorgaben, z.B. für die Zügigkeit der Schulen. Ob das Ende 2010, 2011 oder 2012 erreicht wird, ist angesichts der Zeitgeschichte marginal. Es ist im Hinblick auf die Legislaturperiode wichtig. Hier könnte eine überparteiliche Abmachung, die diesen Prozess gemeinsam trägt, helfen. Zudem muss der Prozess Spielräume für die Gestaltung der regionalen Schullandschaft zulassen. Je enger das Korsett, desto geringer die Akzeptanz.

Die Veränderung muss für eine Mehrheit im Prozess und im Ergebnis positiv sein. Reformen gelingen nur als win-win-Situationen. Auch die Realschule, die heute noch glaubt, dass sie zur Aufgabe ihrer sicheren Position gezwungen werden soll, muss davon überzeugt werden, dass ihr Unterricht durch eine gemischtere Schülerschaft, aber durch Zuwachs an pädagogischen Kompetenzen und z.B. durch Sozialpädagogen eine bessere Schule wird als vorher. Nach dem Bericht der Schulinspektion hat sie diese Reformen dringend nötig und könnte aus einer solchen Veränderung Vorteile ziehen.

Wenn die Strukturfrage im Bezirk in erster Linie unter Standort- und Schließungsgesichtspunkten diskutiert wird, wird sie zum Scheitern verurteilt sein. Die Veränderung der Struktur muss die positive Aussicht auf die Ganztagsschuloption, aber vor allem auch besseren Unterricht und ein vielfältiges Schulleben beinhalten – und natürlich die besseren Fördermöglichkeiten für alle Schüler. Sie ist eine Chance, die jetzt von keinem verspielt werden sollte. Ein wenig mehr öffentliche Kommunikation durch den Senator könnte auch hilfreich sein.

Die Autorin war als Grünen-Politikerin von 1989 bis 1990 Schulsenatorin in Berlin und leitet heute das „Bürgernetzwerk Bildung“ des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller.

Sybille Volkholz

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