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Problemkieze: Kampf um gut gemischte Schulen wird härter

Platzprobleme überfordern die Bezirke in Problemkiezen. Jetzt erhielten in Kreuzberg Erstklässler eine Absage, die direkt neben ihrer Wunschschule wohnen.

Berlins Verwaltungsrichter müssen auf einen anstrengenden Sommer gefasst sein: Es droht eine steigende Zahl von Klagen verärgerter Eltern. Grund dafür ist zum einen die Einführung der Sekundarschule, die die Nachfragesituation verändert hat. Aber auch im Grundschulbereich gibt es dieses Jahr besonders viel Frust unter den Familien: Sie müssen sogar dann mit Absagen rechnen, wenn sie im Einzugsbereich ihrer Wunschschule wohnen.

Für diese bösen Überraschungen gibt es drei Gründe. Dazu gehört die kurzfristige Entscheidung von Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD), in sozialen Brennpunkten wieder kleinere Klassen einzurichten. Zwar freuen sich Eltern und Lehrer darüber. Die Kehrseite allerdings besteht darin, dass eben auch beliebte Schulen weniger Plätze zu vergeben haben.

Platzmangel entsteht allerdings auch dadurch, dass mehr Kinder als früher sitzen bleiben: Wenn tausende Kinder länger in der Schulanfangsphase verharren, ist weniger Platz für nachrückende Erstklässler. Und schließlich gibt es offenbar immer mehr Eltern, die sich durch Scheinanmeldungen einen Platz in ihrer Wunschschule zu sichern versuchen: Während einige Bezirke längst Beweise wie etwa Gasrechnungen oder Mietverträge für die Richtigkeit der Anmeldung fordern, konnten sich andere Bezirke noch nicht zu dieser „Schnüffelei“ durchringen. „Ich will dazu erst einen Beschluss des Schulausschusses“, wehrt etwa Monika Herrmann, Bildungsstadträtin für die Grünen in Kreuzberg-Friedrichshain, ab. Als Folge muss ihr Schulamt nun allein aus dem Einzugsgebiet der Heinrich-Zille-Grundschule 34 Kinder anderweitig unterbringen. Ein Großteil soll zur E.-O.-Plauen-Schule.

Jetzt hat sich das Schulamt allerdings einigen Ärger eingehandelt. Anstatt nämlich diejenigen Kinder vorrangig an der Zille-Schule aufzunehmen, die in unmittelbarer Nachbarschaft wohnen oder dort Geschwister haben, hat sich die zuständige Mitarbeiterin in Absprache mit dem Rechtsamt für ein anderes Vorgehen entschieden: Sie macht den Fußweg zur Plauen-Schule in der Wrangelstraße zum Maßstab und hat ausgerechnet, dass all die Kinder nicht zur Zille-Schule dürfen, „die einen Fußweg bis zu 671 Meter zur E.- O.-Plauen-Schule haben“. Das aber bedeutet, dass sogar Familien, die direkt an der Zille-Schule in der Waldemarstraße wohnen, abgewiesen wurden – weil sie etwas näher an der Plauen-Schule liegen als Bewerber aus den Nebenstraßen.

„Ich bin mit dieser Lösung nicht glücklich“, betont Monika Herrmann und verweist auf die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Ändern könne sie das Vorgehen jetzt nicht mehr, nachdem das Schulamt die Bescheide verschickt habe. Die Gefahr, dass viele – vor allem bildungsferne Eltern – nicht wissen, wie sie von ihrer Widerspruchsmöglichkeit Gebrauch machen können, sieht Herrmann in diesem Kiez nicht. Im Übrigen verweist sie darauf, dass an der Charlotte-Salomon- Schule eine ähnliche Übernachfrage herrsche – auch hier nicht zum ersten Mal.

Tatsächlich gibt es jedes Jahr Berichte von verärgerten Eltern, die keine Aufnahme an den von ihnen akzeptierten Schulen finden. Zuletzt forderten sie in Kreuzberg die Eröffnung einer evangelischen Grundschule im Kiez, was Herrmann zu verhindern wusste. Und das Konfliktpotential steigt noch: Je mehr Schulen über die magische Grenze von etwa 50 Prozent schlecht Deutsch sprechender oder sozial benachteiligter Kinder rutschen, desto mehr konzentriert sich die Nachfrage auf die stetig abnehmende Zahl gut durchmischter Schulen.

Da in machen Gegenden keine Schulen mit guter Mischung übrig geblieben sind, ist jetzt die Idee entstanden, wenigstens eine Klasse pro Region so einzurichten, dass sie für bürgerliche oder anspruchsvollere Eltern akzeptabel sein könnte. Der Bezirk Mitte machte den Anfang mit diesen sogenannten Deutsch-Garantie-Klassen (wir berichteten), das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg will jetzt die Einführung solcher Klassen „prüfen“.

Zunächst aber geht es um greifbare Lösungen für das kommende Schuljahr, und da bleibt vielen Eltern nur der Klageweg: Das Verwaltungsgericht will bislang nichts dazu sagen, wie die Chancen – etwa im Streitfall Zille-Schule – stehen. „Es stellen sich immer neue Frage – wir werden sie im Sommer beantworten“, teilte Sprecher Stephan Groscurth am Montag mit. Susanne Vieth-Entus

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