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Reformpädagogik: Dalton statt Mathe

Bei der Dalton-Pädagogik entscheiden Schüler selbst, was und wie sie lernen. Ein Neuköllner Gymnasium arbeitet nach dem Konzept. Ein Interview mit dem Schulleiter.

Herr Freese, was ist das Besondere an der Dalton-Pädagogik?

Ein Drittel der Unterrichtszeit, also zehn Stunden wöchentlich, können die Schüler selbst entscheiden, mit welchen Mitschülern, für welches Fach und mit welchem Lehrer sie arbeiten wollen. Im Raum dieses Fachlehrers bearbeiten sie dann bestimmte Aufträge. Die Schüler werden dazu angehalten, selbstständig und eigenverantwortlich zu arbeiten.

Auf dem Stundenplan steht dann also nicht Mathe, sondern Dalton?

Ja, die zweiten und fünften Stunden täglich sind Dalton-Stunden, das betrifft alle Schüler und auch fast alle Fächer. In diesen Stunden wird die Klassengemeinschaft aufgelöst, das ist für selbstständiges Arbeiten sehr von Vorteil.

Wie sieht der Unterrichtsalltag aus?

Die Lehrkräfte erarbeiten Lernpläne für die Schüler für jeweils fünf Wochen. In denen steht, was im Fachunterricht besprochen wird und welche Aufgaben die Schüler in den Dalton-Stunden erledigen müssen. Die erste Dalton-Stunde wöchentlich findet im Klassenverband statt, um gemeinsam die Aufgaben der Woche zu planen.

Und in der Woche selbst?

Da wird dann etwa am Montag entschieden: Heute lerne ich Mathe in Raum 109 mit diesen beiden Mitschülern. Die Aufgaben sind so gestellt, dass die Schüler sie allein lösen können.

Wie werden Forschritte kontrolliert?

Das machen die Fachlehrer im Unterricht. Und in den Dalton-Plänen sind auch die Termine für ganz normale Tests festgelegt, so dass die Schüler wissen, bis wann sie was geschafft haben müssen.

Worin liegen die Unterschiede dieser Methode zu ganz normalem selbstständigen Lernen?

Bei Dalton wird viel mehr Zeit als sonst für Gruppenarbeit aufgewendet. Das Verfahren ist außerdem transparenter: Die Schüler wissen, was auf sie zukommt, die Eltern können die Lernpläne einsehen. Die Kollegen tauschen sich viel mehr über den Unterricht aus. Wenn ein Lehrer krank ist, fällt die Dalton-Stunde nicht aus – und wenn ein Schüler krank ist, weiß er, was er versäumt.

Lernt bei Ihnen schon die ganze Schule nach diesem Prinzip?

Wir führen die Methode nach und nach ein, in diesem Jahr in den Klassenstufen fünf, sieben und neun. Nächstes Jahr arbeiten schon alle Klassenstufen von fünf bis zehn nach dem Daltonplan. Danach soll es bis zum Abitur ausgedehnt werden.

Welche Erfahrungen haben Sie bislang mit der Methode gemacht?

Auf Schüler, die nicht arbeiten, lässt sich viel einfacher reagieren als im Frontalunterricht. Zudem wächst die Schulgemeinschaft stärker zusammen, weil sich die Schüler kennenlernen und auch die Lehrer mehr Schüler sehen. Individuelle Beratung ist leichter, weil der Lehrer nicht die Stunde steuert, sondern eine Aufsichts- und Beratungsfunktion hat. Er kann sagen: Mit euch fünfen möchte ich heute Stoff aufarbeiten. Oder er stellt fest, dass die Gruppe geschlossen Vorbereitung für die nächste Klausur braucht.

Wie reagieren die Schüler auf Dalton?

Vor allem die Jüngeren, die ähnliche Methoden aus der Grundschule gewohnt sind, finden sich sehr gut ein. In der neunten Klasse gibt es noch gewisse Widerstände, weil es für die Schüler anstrengender ist als der übliche Frontalunterricht. Im Gymnasium sind solche Methoden noch immer etwas Besonderes.

Eignet sich Dalton für alle Fächer?

Fächer, die einen hohen praktischen Teil haben wie Musik, Kunst oder Physik, sind ein wenig schwieriger zu organisieren. In Physik müssen die Experimente eben im Klassenverband gemacht werden. In Sport gibt es besondere Angebote wie Hockey oder Capoeira, die zehn Wochen lang belegt werden.

Jörg Freese ist Schulleiter am Albrecht-Dürer-Gymnasium in Neukölln. Mit ihm sprach Patricia Hecht.

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