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Alles Theater. Die Schüler proben im Klassenzimmer.

© Kitty Kleist-Heinrich

Rütli-Kiez: Projekt mit dem Maxim-Gorki-Theater

Für 30 Schüler des Campus Rütli ist das Klassenzimmer zur Bühne geworden. Sie erkunden mit dem Gorki-Theater ihre Gefühle – und ihren Kiez. Ende Juni kommt das Theaterprojekt in etwas anderer Fassung auch auf die große Bühne.

Mit einem mächtigen Satz springt Sait Bayram in das große markierte Viereck auf dem Boden des Klassenzimmers. Der 15-Jährige brüllt seinen Text. Die anderen Mitschüler kichern, ein bisschen peinlich ist das ja schon. Aber das ist Theater. Für 30 Schüler des Campus Rütli ist das Klassenzimmer zur Bühne geworden. Seit Anfang Mai proben sie in der Schule mit Mitarbeitern des Maxim-Gorki-Theaters.

Die Vorlage für das Projekt gab Jakob Lenz mit seiner Tragikomödie „Der Hofmeister“. Es beschreibt die Bildungsmisere des ausgehenden 18. Jahrhunderts anhand der Geschichte eines Lehrers. Was können die Menschen im Neuköllner Reuterkiez voneinander lernen? Wer lehrt wen – und warum nicht umgekehrt? Das wollen die Schüler gemeinsam mit den Theaterkünstlern herausfinden.

Geschäfte, Restaurants und eine Wohnung in der Nachbarschaft werden zur Bühne. So wird ein Teil der Aufführung zum Beispiel im Tierbedarfsladen an der Ecke stattfinden. Der Zuschauer wandert von einer Aufführung zur nächsten, jede dauert etwa eine Viertelstunde. Nebenbei lernen die Zuschauer den Rütli-Kiez kennen. Ludwig Haugk, der leitende Dramaturg, hat schon jetzt viel aus dieser Ecke Berlins mitgenommen. „Ich sehe, wie wenig wir überhaupt voneinander wissen. So einfach es klingt, aber ich denke, das ist das Grundproblem der Integration“, sagt er. Ab und zu überkomme ihn der Wunsch, doch wenigstens ein paar Brocken Türkisch zu beherrschen.

Bei einem Aufführungswochenende im Kiez wird es für die Schüler nicht bleiben. Ende Juni kommt das Theaterprojekt in etwas anderer Fassung auch auf die Bühne des Maxim-Gorki-Theaters. Die einzelnen Aufführungen kommen dann auf der Bühne zusammen, der Originaltext wird Haugk zufolge stärker berücksichtigt.

Wer mitmachen, aber nicht schauspielern will, kann mit einer Kostümbildnerin in einer umgebauten Arztpraxis die Kostüme nähen. Ab und zu kommen auch Anwohner vorbei, denn in einem Nebenraum steht der Schreibtisch der Autorin Anna Jelena Schulte. Sie lässt sich täglich von den Kiezbewohnern ihre Liebesgeschichten erzählen. Jeden Abend werden diese kleinen Liebesdramen dann auf der Kreuzung von Schauspielern des Maxim-Gorki-Theaters aufgeführt.

Sait war bei jeder Aufführung dabei. Für „Die Hofmeister“ wird er jetzt selbst zum Schauspieler. Strahlend erzählt er, wie ihm die Proben helfen, seine Gefühle und Aggressionen freizulassen und wie sehr sein Mut gefordert wird.

Viel mehr kann er dann aber nicht erzählen: Der Regisseur ruft. Sait wird wohl noch einmal seinen Text durchgehen müssen, bevor es so richtig ans Brüllen geht.

Aufführungen am 26., 27. und 28. Mai, 19 Uhr, Ecke Weserstraße/Pannierstraße

Konstanze Nastarowitz

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