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Sanierungsbedarf bei Schulklos: Berliner Schultoiletten werden zum Fall für Entwicklungshilfe

Eine Dritte-Welt-Organisation befragte Berliner Kinder und erfuhr: 75 Prozent der Schüler meiden möglichst den Gang zur Toilette. Wie sieht es bei Euch in der Schule aus? Schickt uns Fotos Berliner Schultoiletten!

Wenn man in der Reineke-Fuchs-Grundschule in Reinickendorf die Toiletten sucht, kann man sich ganz auf seine Nase verlassen. Bis auf den Flur dringt der strenge Geruch. „Das sind die alten Rohre“, sagt Schulleiterin Margot Koch, „das geht nicht mehr weg.“ Dann öffnet sie die Tür zum Mädchenklo und zeigt auf das rostige Abflusssieb im Boden. „Hier wurde seit dem Bau der Schule vor fast vierzig Jahren noch nie etwas saniert.“ Am Waschbecken gibt es nur kaltes Wasser. Handtücher und Seife bringen die Kinder aus den Klassenzimmern mit. Die Fenster sind gekippt und mit leeren Klopapierrollen blockiert, damit sie nicht zuzufallen. Die zwei Toilettenkabinen lassen sich nicht richtig abschließen. Vor allem aber reichen sie nicht für die drei Klassen, die sich dieses WC teilen sollen. „33 Kinder sollen hier aufs Klo, das ist noch nicht mal in einer großen Pause zu schaffen“, sagt Koch. Deshalb lassen die Lehrer die Kinder während des Unterrichts gehen.

Der Schulleiterin stinkt es schon lange, den Eltern auch. Zuletzt haben sich die Eltern im Oktober an die Bildungsstadträtin, das Schul-, Bau- und Gesundheitsamt gewandt. Getan hat sich bisher nichts. Nun will sich Bildungsstadträtin Katrin Schultze-Berndt (CDU) am Montag selbst ein Bild machen und die Schule besuchen. „Eigentlich haben Toiletten bei mir Priorität“, sagt sie.

Auch in der Behindertentoilette im Erdgeschoss riecht es nicht besser. Hier müsste zudem dringend eine Dusche eingebaut werden, weil sich einige der neun behinderten Schüler (Inklusionskinder) manchmal in die Hosen machen und dann gewaschen werden müssen. Um die Dusche bemühen sich Eltern und Schule seit mehr als vier Jahren – erfolglos.

Dass in vielen Berliner Schulen die Sanitäranlagen marode sind, weiß auch die Bildungsverwaltung. 2012 wurden die Mittel für das Schulsanierungsprogramm von rund 32 Millionen Euro auf rund 48 Millionen Euro erhöht. Im kommenden Jahr werden dafür 64 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Rund 250 Bauprojekte gibt es 2012. Doch das reicht offensichtlich nicht, um den Sanierungsbedarf an den mehr als 700 öffentlichen Schulen Berlins zu decken. Schulze-Berndt beziffert den „Investitionsrückstau allein für Reinickendorf mit 60 Millionen Euro“, für ganz Berlin wären ihrer Einschätzung nach eine Milliarde Euro nötig. Auch an der Reineke-Fuchs-Grundschule wird gebaut. Die Schule bekommt neue Fenster. Der Herr vom Bauamt sei sehr engagiert, sagt Schulleiterin Koch. Doch für die Toiletten sei jemand anderes zuständig.

In der Gustav-Falke-Grundschule in Wedding ist es der Schulleiterin Karin Müller zwar gelungen, die Toiletten im Pavillion der Schulanfänger sanieren zu lassen. Doch im Haupthaus sehen die Toiletten auch nicht besonders einladend aus. Da der Bezirk Mitte seit März vom Senat zwangsverwaltet wird, muss Mülller inzwischen sogar Toilettenrollen, die sie beantragt schriftlich begründen. Eigentlich sollten die zwar von der Regelung ausgenommen sein, doch den Antrag bekam sie trotzdem zurück. Auf die Begründung kam es ihr dann auch nicht mehr an. Im Pavillion der ersten und zweiten Klasse bringen die Eltern Toilettenpapier und Seifenspender selbst mit. Das dürfte durchaus repräsentativ sein.

Sascha Schneider hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Er ist Vizevorsitzender des Landesschüler-Ausschusses: „Jedes Jahr kommt diese Diskussion wieder.“ Thilo Panzerbieter, Geschäftsführer der German Toilet Organization (GTO), eines Berliner Entwicklungshilfevereins, berichtet von Anrufen aus Schulen im Bundesgebiet, die sich Hilfe bei ihrem anrüchigen Problem erhoffen. Dabei ist die GTO 2005 gegründet worden, weil weltweit 2,6 Milliarden Menschen keine WCs haben. In Indien, den Philippinen, Sambia und Sri Lanka hilft die GTO beim Toilettenbau.

Bei Schulbesuchen hat das GTO-Team herausgefunden, dass viele Schultoiletten in beklagenswertem Zustand sind. Sie haben 290 Schüler aus zwölf Berliner Sekundarschulen nach ihren Schultoiletten befragt: Elf Prozent der Kinder gehen nie auf die Toilette, 64 Prozent „nur im Notfall“. Drei Viertel der Kinder finden ihre Schultoilette nicht sauber genug. Mehr als die Hälfte beklagt, dass es nie oder nur selten Seife gibt. „So können sich Infektionen ungebremst verbreiten“, sagt Panzerbieter. Toilettenpapier fehlt genauso oft. In vielen Schulen ist das eine Reaktion auf den Vandalismus. Bernd Meier, der in der Max-Taut-Berufsschule die Ausbildung der Sanitär-, Heizungs- und Klimainstallateure leitet, berichtet von überlaufenden Toiletten, die mit Papier verstopft worden sind. Dennoch findet Panzerbieter, dass „90 Prozent der Kinder dafür bestraft werden, wenn man ihnen Papier und Seife wegnimmt“. Fast 60 Prozent der Kinder fühlen sich in ihren Toiletten übrigens nicht sicher. Es fehlen Trennwände bei den Urinalen, und oft lassen sich Türen nicht abschließen.

Damit sich zumindest ein bisschen etwas ändert, veranstaltet die GTO mit Sponsorenhilfe einen Wettbewerb. Bis März können sich Schulen bewerben. Der Preis: eine Toilettensanierung. Übrigens hat die GTO ihren Wettbewerb in einem Klassenzimmer der Max-Taut-Schule präsentiert. Statt Stühlen standen schwere weiße Toiletten vor den Tischen.

Wie sieht es in Eurer Schultoilette aus? Toll, weil gerade saniert worden ist, oder schrecklich, weil seit Jahrzehnten nichts passiert ist? Schickt uns Eure Bilder: leserbilder@tagesspiegel.de

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