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Sie machen mit. Sandra Scheeres (li.), Schüler und Leiterin der Hector-Peterson-Schule und Ingrid Hamm (re.) von der Robert-Bosch-Stiftung.

© Promo/SenBJW

School Turnaround in Berlin: Programm für Problemschulen geht weiter

Es gibt Schulen, da beschweren sich die Eltern wöchentlich bei der Schulaufsicht und Lehrer bleiben aus Frust zu Hause. Das „Turnaround“-Programm will das ändern. Zehn der schwächsten Berliner Schulen machen mit. Eine erste Bilanz.

Wie kommt es, dass eine Schule so abrutscht, dass sie kaum noch funktioniert? Ein Beispiel dafür ist die Hellersdorfer Bücherwurm-Grundschule am Weiher: Der damalige Schulleiter war nur selten präsent, dann wurde er krank und arbeitete gar nicht mehr. Das Kollegium redete nicht mehr miteinander, der Krankenstand war hoch. Die Eltern beschwerten sich nahezu jede Woche bei der Schulaufsicht. Gleichzeitig kamen immer mehr schwierige Schüler, denn die Sozialstruktur des Bezirks wandelte sich. Immer mehr arme, bildungsferne Familien aus den Innenstadtbezirken zogen her, viele davon vom Jugendamt betreut.

So erzählt es Petra Serbe, die damals Konrektorin war. „Ich habe mich bemüht, die Schule noch irgendwie am Laufen zu halten.“ Inzwischen leitet sie die Grundschule selbst – und ist dabei, die Schule wieder auf eine bessere Bahn zu bringen.

„Wir reden wieder miteinander und arbeiten an unserer sozialen Kompetenz.“ Mittlerweile gibt es eine Schulstation mit zwei Sozialarbeitern. Die Eltern engagieren sich, statt nur zu meckern, gerade haben sie beim Frühjahrsputz mitgemacht. „Unser Motto ist: Wir gehen alle gern zur Schule“, sagt Serbe. „Um diese Formulierung haben wir lange gerungen.“

Unterstützung bekommen Petra Serbe und ihre Schule durch das gemeinsame Programm von Robert-Bosch-Stiftung und Senatsbildungsverwaltung namens „School Turnaround“. Zehn Berliner Schulen, die zu den hilfebedürftigsten der Stadt gehörten, werden in diesem Programm seit zwei Jahren unterstützt. Die Schulen hatten zu Programmbeginn kaum noch Anmeldungen, schlechte Schülerleistungen und Abschlussquoten, hohe Fehlzeiten bei Lehrern und Schülern, viel Unterrichtsausfall. Über das „Turnaround“-Programm bekamen sie jeweils einen eigenen externen Berater zur Seite gestellt – erfahrene Lehrer, ehemalige Schulleiter und andere Fachleute aus dem Bildungsbereich. Die Schulen vereinbarten Zielsetzungen und wurden von der Senatsbildungsverwaltung bei der Stellenbesetzung unterstützt, außerdem gibt es 7 500 Euro pro Schuljahr.

Das Vorbild ist New York. Dort sind 300 Schulen im „Turnaround“. Vertreter der Senatsbildungsverwaltung und der Robert-Bosch-Stiftung schauten sich das 2012 vor Ort an und waren schnell überzeugt, dass dies, in kleinerem Rahmen, auch das Richtige für Berlin ist. „Schulen auf der ganzen Welt stehen vor den gleichen Problemen“, sagt Ingrid Hamm von der Robert-Bosch-Stiftung. „Es ist wichtig, dass wir voneinander lernen.“

Eine Kreuzberger Schule legt einen Neustart hin

Sie machen mit. Sandra Scheeres (li.), Schüler und Leiterin der Hector-Peterson-Schule und Ingrid Hamm (re.) von der Robert-Bosch-Stiftung.
Sie machen mit. Sandra Scheeres (li.), Schüler und Leiterin der Hector-Peterson-Schule und Ingrid Hamm (re.) von der Robert-Bosch-Stiftung.

© Promo/SenBJW

Zwei Jahre geht die Unterstützung mit „Turnaround“ noch weiter. Jetzt ist Zeit für eine Halbzeitbilanz. An allen Schulen gebe es Veränderungen zum Positiven, auch wenn es nicht an allen gleich schnell gehe, sagt Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Einige Schulen hätten einen kompletten Neustart hingelegt, zum Beispiel die Refik-Veseli-Schule in Kreuzberg. Die hieß vor Kurzem noch Schule an der Skalitzer Straße. Jetzt hat sie einen neuen Namen, ein neues Schulprogramm, eine neue Direktorin und bald eine eigene gymnasiale Oberstufe. Die Anmeldezahlen sind bereits nach oben geschnellt. Die Silberstein-Grundschule stellt bald auf Ganztagsbetrieb um, mehrere Schulen erproben neue Unterrichtsformen wie etwa Jahrgangsteams, andere verbessern ihre Öffentlichkeitsarbeit.

Auch die Hector-Peterson-Schule, ebenfalls eine Sekundarschule in Kreuzberg, gehört zu den Schulen, an denen es aufwärts geht. Schulleiterin Monika Steinhagen strahlt Optimismus aus. Die Schule hat jetzt ein künstlerisch-kreatives Profil. Jedes Schuljahr beginnt mit einem vierwöchigen Projekt, zuletzt waren sie an der Deutschen Oper und haben alle zusammen ein Stück erarbeitet und aufgeführt. Die Aula wurde renoviert und bekam eine Bühne mit moderner Technik. „Und die Schüler sagen inzwischen, dass sie gern herkommen. Noch vor Kurzem hieß es: ’Wir sind die Loserschule’.“

Dabei war es noch gar nicht so lange her, dass die Schule mal einen guten Ruf hatte. Man würde sich dort besonders gut um schwierige Schüler kümmern, hieß es. „Aber wir haben uns auf dem Weg ein bisschen verloren“ sagt Monika Steinhagen. Den Lehrern sei nach vielen Jahren der Enthusiasmus ein Stück weit abhanden bekommen. „Viele waren müde und kaputt“, sagt Steinhagen. Als sie über das „Turnaround“-Programm gefragt wurde, ob sie die Schulleitung übernehmen will, habe sie zugesagt, weil sie das als große Chance begriffen habe. Inzwischen hätten sich die Schülerleistungen zwar noch nicht verbessert – aber die Einstellung und Motivation der Lehrer ist eine andere: „Bei unseren Kunst-Projekten sehen wir, was unsere Schüler Tolles leisten. Das können sie auch im Unterricht schaffen. Wir müssen ihnen wieder mehr zutrauen.“

Es seien immer die gleichen Faktoren, die darüber entscheiden, ob eine Schule funktioniert, sagt Ingrid Hamm von der Robert-Bosch-Stiftung. „An erster Stelle steht die Schulleitung.“ Danach komme die Motivation des Lehrer-Teams. Wichtig sei die Einstellung: „Wir schaffen das“.

Auch die meisten Turnaround-Schulen litten an schwachen Leitungen. Inzwischen sind an acht der zehn Schulen neue Rektoren eingesetzt. Ob und wie bald eine Schule die Wende schafft, hängt wesentlich davon ab, wie schnell diese Posten neu besetzt wurden. An der Neuköllner Kepler-Schule etwa ist Direktor Moritz Dreher erst seit Februar im Amt und noch dabei, die verschiedenen Fäden an Unterstützung, Versäumnissen, guten Konzepten und Entbehrlichem zu sortieren. Keine Angst, dass der Stempel "Turnaround" auch ein Stigma sein könnte? „Nein, ich sehe das als Chance“, sagt er.

Diese Schulen machen mit

Hector-Peterson-Schule (Kreuzberg), Bücherwurm-Grundschule am Weiher (Hellersdorf), Refik-Veseli-Schule (Kreuzberg), Ernst-Reuter-Schule (Wedding), Hedwig-Dohm-Schule (Moabit), 9. ISS Graefestraße (Kreuzberg), Gustav-Langenscheidt-Schule (Schöneberg), Kepler-Schule (Neukölln), Silberstein-Schule (Neukölln), Peter-Pan-Grundschule (Marzahn). Mehr zum Programm unter: www.school-turnaround.de

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