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Schule: Harte Kritik an Vergleichsarbeiten in Mathematik

Die Berliner Kritiker der Drittklässler-Vergleichsarbeiten (Vera 3) bekommen Unterstützung von wissenschaftlicher Seite. Ein Didaktik-Professor nennt die Aufgaben eine Zumutung. Die Tests überstiegen die Fähigkeiten der Kinder.

Einer der renommiertesten Mathematikdidaktiker Deutschlands, Erich Christian Wittmann von der Technischen Universität Dortmund, hat einen Totalverriss der diesjährigen Lernstandserhebung an alle Kultusminister verschickt. Statt einer Antwort von politischer Seite folgte jetzt eine postwendende Antwort der verantwortlichen Wissenschaftler, die alle Vorwürfe zurückweisen. Laut Wittmann genügt „ein einziger Blick“ auf die Vera-Aufgaben in Mathematik, um zu sehen, dass „eine Reihe von Aufgabentexten und die Fülle der Aufgaben überhaupt das Fassungsvermögen von Kindern dieses Alters weit übersteigen“. Lernstandsaufgaben dieser Art seien „ein klarer Verstoß gegen den Vertrauensschutz“ und die zum Teil langen Texte „eine Zumutung“.

Der Didaktiker, der seit über 20 Jahren auch Lehrer fortbildet, geht in seinem Text alle Aufgaben einzeln durch und kommt zu dem Ergebnis, dass kompetente Lehrer oder Didaktiker „so miserable Aufgaben nicht stellen“. Vera 3 „disqualifiziere“ die Test-Entwickler. Einige Aufgaben seien zudem „wenig lebensnah“ oder „künstlich“.

Die Angegriffenen antworten nicht weniger deutlich. Wittmanns Kritik resultiere „schlicht aus Unkenntnis“, schreiben die bei Vera involvierten Bildungsforscher Olaf Köller, Petra Stanat, Hans Anand Pant und Kristina Reiss. Alle Aufgaben seien durch erfahrene Grundschullehrer entwickelt worden. Zudem weisen sie den Vorwurf zurück, die Aufgaben seien zu schwer für Drittklässler. Wittmanns Kritik gehe von der „naiven Vorstellung einer homogenen Schülerschaft aus“ und unterschätze das große Potenzial der Grundschulkinder, schreiben die vier Wissenschaftler. Überdies werfen sie dem Dortmunder „Kollegen“ vor, er führe einen „weitgehend irrationalen Feldzug gegen die Bildungsforschung“.

Wittmann fühlt sich dennoch im Recht und verweist auf die Reaktionen „sehr vieler erfahrener Lehrerinnen und Lehrer aus den Ländern“, die er auf seine Kritik hin erhalten habe. Wie berichtet, hatte es auch in Berliner Grundschulen harsche Kritik an Vera gegeben. Es wurde sogar mit einem Boykott gedroht, weil die Aufgaben – insbesondere für soziale Brennpunktschulen – zu schwer seien. Zudem wurde kritisiert, dass die Vergleichsarbeiten von den Klassenlehrern beaufsichtigt werden. Immer wieder hieß es, dass die Lehrer ihren Schülern vor oder während der Arbeit Tipps gegeben hätten, um die Ergebnisse positiv zu beeinflussen. Stefan Albrecht, Leiter der Frohnauer Sintenis-Schule, bestätigte gestern wieder die Kritik Wittmanns, dass bei Vera zum Teil Stoff der vierten Klasse abgefragt wurde. Zudem seien Berlins Drittklässler durch die frühe Einschulung im Schnitt wesentlich jünger als die in anderen Bundesländern.

Inzwischen haben die ersten Grundschulen ihre Vera-Ergebnisse bekommen, die Bildungsverwaltung hat aber noch keinen berlinweiten Überblick. Dies werde bis zum Herbst dauern, kündigte der Sprecher der Bildungsverwaltung, Jens Stiller, an. Das Ziel sei, den Schulen ausführliche Rückmeldungen zu geben, mit denen sie etwas anfangen könnten. Mit einer „Vorabauswertung“ sei vielleicht schon vor den Sommerferien zu rechnen.

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