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Schulrankings: Berlin kann aus Londons Fehlern lernen

Schulrankings sind in Großbritannien ganz normal. Die Freiheit für Eltern, die beste Schule für ihre Kinder zu wählen, und der Wettbewerb zwischen den Schulen bildeten dort die Basis aller Schulreformen. Es gibt aber auch unerwünschte Nebenwirkungen.

Berlin betritt Neuland: Wenn es nach Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) geht, soll es kein Geheimnis bleiben, welchen Abiturschnitt und welche Ergebnisse beim Mittleren Schulabschluss und bei den Vergleichsarbeiten in den Schulen erzielt wurden. In welcher Form dies geschehen soll, ist allerdings noch offen und dürfte bis zur Entscheidung Anfang 2011 zu Diskussionen führen.

Zöllner schlägt vor, dass alle Schulen in Gruppen aufgeteilt werden sollen, die sich nach dem Anteil der Problemkinder richten. Hat eine Schule beispielsweise 40 Prozent Kinder aus Familien, die staatliche Leistungen beziehen, wird sie verglichen mit Schulen, die eine ähnliche Schülerzusammensetzung haben. Es wäre dann auf einer Graphik abzulesen, wie viele Punkte die beste und die schlechteste Schule der Gruppe hat, wo der Mittelwert der Gruppe lag und wie viele Punkte die Schule hat, für die man sich interessiert. Zwar sagt Zöllner, dass diese Art der Aufbereitung ein Ranking nicht zulasse. Tatsächlich ist es aber so, dass man – wenn auch mit einigem Zeitaufwand – alle Einzeldaten zusammentragen und daraus eine vollständige Rankingtabelle zusammenstellen könnte.

Aus englischer Perspektive klingt das allerdings mehr als harmlos. Hier ist man wesentlich radikaler vorgegangen: Transparenz, veröffentliche Inspektionsberichte, Vergleichstabellen und Schulrankings in den Zeitungen sind in England seit Jahren gang und gäbe und niemand will daran etwas ändern. Die Freiheit für Eltern, die beste Schule für ihre Kinder zu wählen, und der Wettbewerb zwischen den Schulen bildeten die Basis aller Schulreformen der letzten Dekade.

Einige Kritiker glauben allerdings, dass die Orientierung der Schulen auf ihr Ranking in den Vergleichstabellen und die Obsession der Labourregierung für ein Erreichen zentraler Zielvorgaben zu einer Aufweichung der Anforderungen führte. Schüler wurden nicht fürs Leben, sondern für die Vergleichstabelle ausgebildet, heißt es . Schwierige Fächer wie Mathematik und Fremdsprachen wurden durch leichte Fächer ersetzt, Prüfungsfragen einfacher, Begabte weniger gefördert und schlechte Schüler ausgesiebt, lautet ein Vorwurf. Unternehmen kritisieren den schlechten Ausbildungsstand bei Basisfertigkeiten wie Rechnen und Schreiben.

Nun will der konservative Schulminister Michael Gove mit der tiefgreifendsten Schulreform seit 40 Jahren die Leistungserwartungen an Schüler und Lehrer wieder hochschrauben. An Wettbewerb und Transparenz wird sich aber nichts ändern, im Gegenteil. Gove hat die Selbstständigkeit von Schulen bereits erhöht. Er will den guten Schulen erlauben, auf Kosten der schlechten zu expandieren. Letztendlich laufen seine Reformen auf einen „offenen Markt“ im Bildungsbereich hinaus.

Kritiker werfen Gove eine „elitäre“ Politik vor, die schwächere Kinder im Stich lasse, weil aufgrund der Rankings noch mehr Mittelschichtkinder aus Problemschulen abgezogen würden. Aber die ehemalige Schulleiterin Katharine Birbalsing erwidert: „Eltern wissen genau, in welche Schule sie ihre Kinder schicken wollen, auch ohne Ranking.“ Sie hatte auf dem letzten Tory-Parteitag der Labour Schulpolitik vorgeworfen, mit Leistungsfeindlichkeit „schlechte Schüler schlecht zu halten“. Nach Goves Plänen sollen schlechte Schulen letztendlich aufgelöst oder von den Guten übernommen werden.

Andere Bildungsfachleute argumentieren, viel wichtiger als der Vergleich der Schulen sei der Vergleich der Lehrer. „Es kommt nicht darauf an, in welcher Schule man ist, sondern bei welchem Lehrer man in der Klasse sitzt“, so Chris Husbands vom Institute for Education. Aber auch hier will Gove weiterkommen. Die Anforderungen an Lehrer sollen wachsen. Schulrektoren, die in England ihr Personal selbst einstellen, sollen die guten Pädagogen besser bezahlen und die „langweiligen und uninspirierenden“ schneller entlassen können, lautet der Plan.

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