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Schule: Schwere Bremsdefekte bei BMW

Die Berichte über schwere Bremsdefekte an maximal vier Jahre alten BMW-Motorrädern reißen nicht ab – das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ fragte sogar, ob die Fahrzeuge „lebensgefährlich“ seien. Ist es nur ein Sommerloch-Thema oder steckt doch mehr hinter den Warnungen?

Die Berichte über schwere Bremsdefekte an maximal vier Jahre alten BMW-Motorrädern reißen nicht ab – das ARD-Wirtschaftsmagazin „Plusminus“ fragte sogar, ob die Fahrzeuge „lebensgefährlich“ seien. Ist es nur ein Sommerloch-Thema oder steckt doch mehr hinter den Warnungen? Immerhin hat BMW etwa 250000 Motorräder verkauft, die mit der nun unter Beschuss geratenen Bremstechnik ausgestattet sind.

BMW bestätigt, dass es unter bestimmten Umständen, die bei Fahr- und Sicherheitstrainings herrschen, zu Problemen mit dem Antiblockiersystem (ABS) kommen kann. Jürgen Stoffregen, der zuständige Sprecher des Motorradherstellers, schließt jedoch „definitiv aus“, dass solche Störungen im normalen Fahrbetrieb drohen. Erste Vorwürfe wurden im vorigen Sommer laut, als der ADAC als Trainingsveranstalter Ausfälle des ABS und anschließende Unfälle verzeichnete. Der Klub informierte den Hersteller und das Kraftfahrt-Bundesamt, weil weitere Meldungen von Mitgliedern hinzu kamen.

Reklamationen aus anderen Fällen darüber, dass etwa die Bremskraftverstärkung nebst ABS plötzlich versagt hätten, kann Stoffregen hingegen nicht nachvollziehen. 21 solcher Kundenbeschwerden soll es gegeben haben – wobei er von keinem einzigen Unfall wisse, an dem tatsächlich ein Ausfall der Bremsregelung die Ursache war. In Einzelfällen lasse BMW dennoch das Steuergerät ersetzen, damit der Zulieferer intensiv prüfen könne. Fast alle hätten sich nachträglich als funktionstüchtig herausgestellt.

BMW stattet seit 2001 als einziger Hersteller weltweit immer mehr neue Modellreihen mit Servobremsen aus, bei denen die Hand- und Fußkraft des Fahrers elektrohydraulisch verstärkt werden. Hinzu kommen auf Wunsch gegen Aufpreis ABS sowie je nach Baureihe eine selbsttätige Bremskraftverteilung. Die Summe dieser Bauteile bewirkt, dass nur ein schwacher Zupf etwa am Handhebel ausreicht, eine kräftige Verzögerung an Vorderrad hervorruft. Eine elektrisch angetriebene Hydraulikpumpe bringt die zusätzliche Kraft auf. Und damit die Räder nicht blockieren, regelt das ABS im Normalfall rechtzeitig ab. Der Hersteller will mit dem System den weniger geübten Fahrern mehr Sicherheit bieten. Schließlich sinken in Deutschland die Fahrleistungen beständig, und wer außer Übung gerät, lebt gefährlich.

Eine solche Technik wie die jetzt kritisierte, braucht jedoch eine komplizierte Elektronik, die das System regelt und permanent prüft. Stellt der Bremscomputer dabei Abweichungen von festgelegten Werten fest, schaltet er auf Notbetrieb um. Die Bremskraftunterstützung und das ABS gehen aus (oder beim Start gar nicht erst an), der Fahrer erhält per roter Lampe eine Warnmeldung aufs Display. Fährt er dennoch weiter, sollte er besonders umsichtig sein. Denn dann muss er selbst die Hydraulik stärker betätigen, um die gewünschte Verzögerung zu erreichen. Andererseits darf der Druck nicht zu groß werden, denn das ABS ist ja ebenfalls ausgefallen.

Der eigentliche Anlass der Probleme bei den Fahr- und Sicherheitstrainings ist ein Mangel an Strom, der nach BMW-Angaben allein den ABS-Bereich beeinträchtige. So untersucht die Elektronik des Bremscomputers beständig auch die Bordspannung auf ausreichende Werte. Schließlich darf ein Fehler in der Stromversorgung nicht dazu führen, dass die Sicherheitselektronik „verhungert“, ohne den Fahrer rechtzeitig zu warnen. Der Bordstrom kann dann knapp werden, wenn das Bremssystem binnen kurzer Zeit sehr häufig und mit heftigem Griff bis an die Regelgrenze des ABS herangeführt wird. Die Technik verbraucht dabei so viel Energie, dass sie nicht nur die Lichtmaschine überfordert, sondern auf Dauer auch den Strompuffer der Batterie. Mehr als fünf Vollbremszyklen direkt hintereinander sollen daher nicht geübt werden, betont Stoffregen.

Gerade bei Fahrtrainings kommt es im kurzen Abstand mehrfach zum starken Bremsen. Anschließend spricht der Instruktor meist mit seinen Schülern über die Ergebnisse, der Motor wird abgeschaltet. Die Lichtmaschine hat also keine Gelegenheit, den Stromspeicher wieder aufzufüllen, bevor es in die nächste Brems-Runde geht. Das unterscheide die Situation von allen anderen im Normalbetrieb, betont Stoffregen. Insofern wirke man auf die Veranstalter der Trainingskurse ein, zwischendurch eine Erholung für den Akku einzulegen – das Wedeln durch eine Pylonengasse zum Beispiel.

Gideon Heimann

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